Bericht über Buchenwald
Nach dem 14. November 1938 verfasst ein Frankfurter Arztes einen Bericht über seine Verhaftung am 10. November, die Misshandlungen in der Bahnhofsunterführung in Weimar und seine Erlebnisse in Buchenwald:
Bericht aus dem Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar
Ich bin an dem berüchtigten Donnerstagabend, an dem die Synagogen brannten und die Geschäfte und Wohnungen zertrümmert wurden, von der Gestapo verhaftet worden mit der Begründung: „In Verbindung mit den Ereignissen dieses Tages müssen wir Sie in Schutzhaft nehmen.“ Ich wurde in das Untersuchungsgefängnis überführt und blieb dort einen Tag. Behandlung dort durchaus korrekt, vielleicht kann man sogar sagen, freundlich. Gegen Abend Entlassung, sodass zunächst in uns der Gedanke aufkam, wir würden nach Hause entlassen.
Wir wurden aber eines Besseren belehrt dadurch, dass auf einmal eine Reihe von Autobussen vorfuhr, in die wir verladen wurden. Abtransport nach Frankfurt-Süd, dort Empfang durch große Massen Schupos, die uns laut anschrien, uns im Übrigen aber ungeschoren ließen. Verladen in einen Personenzug, Befehl: „Während der Fahrt darf kein Fenster geöffnet werden, bei einem etwaigen Fluchtversuch wird sofort ohne Warnung geschossen.“ Fahrt nach Weimar. Beim Ausladen dort die ersten Handgreiflichkeiten. Wir mussten in der Unterführung antreten, Gesicht gegen die Wand, wir wurden eng zusammengepresst und dabei durch Stoßen und Schläge misshandelt. Nachdem der Transport abgezählt war, wurden wir mit rohem Schreien und Fluchlen] angetrieben, in größtmöglichster Eile die Treppe hinauf zu dort stehenden Autobussen zu rennen. Auf der Treppe setzte es die ersten Fußtritte. Hier zeigte sich dann schon, dass die Jungen und Gewandten verhältnismäßig gut durchkamen, während die Älteren oder körperlich Behinderten die Püffe abbekamen. Verladen in die bereitstehenden Autobusse, wieder unter lautem und rohem Schreien und vielen Beschimpfungen. Beispiel: Ein SS-Mann fragt: „Was seid ihr?“ Natürlich keine Antwort, weil die Frage nicht verstanden wird. Ohrfeige. „Wir sind alle Betrüger, musst du sagen! Wie musst du sagen?“ Ohrfeige. Endlich erfolgt die gewünschte Antwort. Ohrfeige. „Willst du wohl lauter sprechen, du Judenschwein!“ usw. Im Autobus auf einmal Befehl: „Brillen absetzen, Köpfe herunter!“ Sofort Faustschläge in alle Nacken, die erreichbar waren, bis alle die Köpfe tief gebeugt hielten. In dieser Stellung mussten wir während der ganzen Fahrt verharren, wagte einer, den Kopf zu heben, sofort Faustschlag in den Nacken. Ankunft in Buchenwald: Befehl zum Aussteigen. Noch lauteres und roheres Schreien und Hagel von Beschimpfungen. Kommando: „Hüte ab“. Wieder Antreiben zur höchsten Eile und dann ein regelrechtes Spießrutenlaufen. Wir mussten zwischen zwei Reihen von SS-Männern hindurch, von denen ein Teil mit Fäusten und Fußtritten vorging, ein anderer Teil mit Schlagringen und Peitschen auf uns einhieb. Ein feister Wachtmeister hatte eine kurzstielige Peitsche in der Fland, die der Nagaika der Russen glich und zweifellos auch mit Draht durchflochten oder mit Bleistücken besetzt war. Er hieb damit auf die Köpfe, und meist spritzte nach jedem Hieb das Blut. Wieder war es hier natürlich so, dass die gewandten Jüngeren mit ein paar Püffen davonkamen, während die Älteren die zum Teil schwer Leidtragenden waren und blutend und hinkend aus der Gasse hervorgingen.
Antreten auf dem Platz vor der Kommandantur, dort Verteilung der Gefangenennummern und Verteilung auf die Baracken. Im Laufschritt zur Baracke und dort sofort auf die Pritschen kommandiert. Hier tröstete uns ein älterer Gefangener: „Nun könnt ihr euch beruhigen, hier seid ihr geborgen.“ Ich habe von meinem Platz aus 22 Leute mit blutenden Köpfen gezählt. Meist waren es blutende Striemen, bei Einzelnen war aber die Haut gespalten, und die Kopfschwarte lag bloß. Einer von den älteren Gefangenen nahm sich der Verwundeten insofern an, als er ein Handtuch in Wasser tauchte und es zur Kühlung auf den Kopf des Verwundeten auflegte. Da er aber weder viele Handtücher noch viel Wasser hatte, musste er nach zehn Minuten den primitiven Verband wieder abnehmen, um ihn einem anderen aufzulegen. Grundsätzlich gibt es in Buchenwald eine Wundbehandlung für Juden nicht. Sie haben keinen Anspruch auf Verbandmaterial, auf Medikamente oder überhaupt auf ärztliche Hilfe.
Im Lager waren vier Baracken, in deren jeder schätzungsweise 2000 Mann untergebracht werden mussten. Pritschen in vier bis fünf Stockwerken übereinander, sodass, wenn alle hochkant lagen und alle Gänge und der Mittelraum noch belegt warfen], die meisten wenigstens liegen konnten. Immerhin genügt der Raum nicht ganz, eine Anzahl muss die Nacht über stehen. Zwei Tage später wurde eine fünfte Baracke fertig, sodass man schließlich mit einer Belegung von vielleicht rund 10000 Mann rechnen kann. Eine Waschgelegenheit gibt es nicht. Bereits am zweiten Tage sind die Hände dunkelgrau und klebrig, sodass man sich ekelt, das Brot damit anzufassen. Das Lager soll an Wassermangel leiden. Jedenfalls muss damit auch in den Sanitätsbaracken so gespart werden, dass die Krankenwärter sich beklagen, sie könnten ihre Kranken kaum waschen. Eine andere Folge des Wassermangels: Juden haben das Anrecht einmal am Tag auf Kaffeeempfang. Die uns zugeteilte tägliche Kaffeemenge betrug meist nur vier bis fünf Schluck, sodass wir alle vor allem an Durst litten und bei der ungeheuren Staubentwicklung in den Baracken off kaum sprechen konnten und genötigt waren, soundso off am Tag die Nasen dadurch zu reinigen, dass wir mit den Fingern darin bohrten und so die Dreckkrusten entfernten. Für die fünf Baracken gibt es eine Latrine von vielleicht zehn Metern Länge. Die übliche Kriegslatrine: Ein Baumstamm in Sitzhöhe mit einer entsprechenden Grube dahinter. Es ist selbstverständlich, dass diese Latrine für solche Menschenmassen nicht genügt und diejenigen, die nur Urin lassen wollten, sich nicht eine Stunde anstellten, um an die Latrine zu kommen, sondern irgendwo in der Gegend Urin ließen, was natürlich sehr schnell zu einer Verschmutzung der ganzen Gegend führte. Über die Zustände gelegentlich einer Ruhrepidemie später.
Im Lager dürfen die Gefangenen keinen Hut aufsetzen und werden sofort aufgefordert, Kragen und Krawatte auszuziehen. Am ersten Tage mussten wir den größten Teil des Tages auf den Pritschen liegen, denn es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder Antreten auf dem Platz vor der Kommandantur oder Liegen auf den Pritschen. Einen Tagesraum oder auch nur einen Raum, um sich außerhalb der Baracken auch nur einigermaßen zu bewegen, gibt es nicht. Einmal am Tag gibt es eine warme Mahlzeit, die recht gut zubereitet und auch der Menge nach durchaus genügend ist, von vielen aber ihres Durstes wegen nur zum Teil verzehrt wird.
Am Abend dieses ersten Tages kamen die ersten Fälle von Geistesstörung. Neben mir lag ein alter Apotheker, der plötzlich anfing, ununterbrochen zu reden: Er habe sich zweimal Kaffee geben lassen, habe dadurch seine Kameraden benachteiligt, sähe sein Unrecht ein und müsse sich jetzt dem Kommandanten melden, um sich erschießen zu lassen. Wir haben stundenlang versucht, ihm zuzureden, und ihn schließlich am Kragen festgehalten, ermüdeten aber schließlich und ließen ihn gehen. Er meldete sich bei dem gerade die Runde machenden Unteroffizier, der aber eigentlich sehr nett mit ihm verfuhr: „So, jetzt will ich dir mal was sagen, du gehstjetzt in die Klappe und machst das Maul nicht mehr auf, und wenn du das tust, dann ist die Sache damit erledigt, wenn du aber keine Ruhe hältst, dann komm ich und erschieß dich!“ - Der zweite Fall einer Geistesstörung verlief viel übler: Ein alter Herr aus Frankfurt brach plötzlich in den Ruf aus: „Juden helft mir, man will mir ans Leben!“ Er war nicht auf seiner Pritsche zu halten, fing an herumzulaufen, immer wieder in den verzweifelten Ruf ausbrechend: „Man will mir ans Leben!“ Schließlich trat ihm einer von den älteren Gefangenen entgegen: „Jetzt hältst du endlich das Maul, oder ich klebe dir eine!“ -“Ja, aber man will mir ans Leben!“ Nochmalige Verwarnung, und als der Alte wieder seinen stereotypen Ruf ausstieß, ein Faustschlag gegen den Kopf, dass er über mehrere am Boden liegende Gefangene hinwegflog gegen den Ofen, diesen halb umriss, sich dann aber schleunigst hinter demselben versteckte, sofort aber wieder schrie: „Man will mir ans Leben.“
Darauf holte ihn der ältere Gefangene (der übrigens das grüne Dreieck der gemeinen Verbrecher trug) hinter dem Ofen hervor und holte sich noch drei Mann Verstärkung und ging nun ernstlich vor. Als Arzt fühlte ich mich verpflichtet, einzugreifen und die Leute darauf aufmerksam zu machen, dass man es doch mit einem zweifellos Geistesgestörten zu tun habe. Ich stieg von meiner Pritsche herunter, meldete mich unten: „Ich bin Arzt, der Mann ist doch krank, würden Sie mir vielleicht gestatten, zu versuchen, ob ich mit ihm fertig werden kann?“ Stoß vor die Brust, dass ich zurücktaumelte. „Wir brauchen hier keinen Arzt. Wir verstehen von diesen Sachen selber genug und wissen, was wir mit solchen Leuten zu tun haben.“ „Wenn du noch einen Laut von dir gibst, dann wirst du kaltgemacht!“ Als der Alte jedoch stereotyp weiter schrie, schlugen die vier zu, vielleicht eine Minute lang prasselten die Faustschläge auf seinen Kopf, der danach eine blauschwarze Masse war, an der man die Stelle von Nase und Augen kaum mehr erkennen konnte. Der Alte war halb bewusstlos und schwieg natürlich. Dadurch große Befriedigung bei diesem Rollkommando: „Ja, mit solchen Leuten wissen wir schon umzugehen, wir haben schon manchen zum Schweigen gebracht, der nicht schweigen wollte. Wir haben da eine ganze Reihe von Methoden. Wenn's nicht anders geht, dann muss halt auch mal einer dran glauben, anstatt dass tausend oder zweitausend darunter leiden müssen. Wenn wir so nicht fertig werden mit dem Kerl, dann nehmen wir ihn uns mal ein bisschen heraus. Dann bringen wir ihn schon zur Ruhe, das haben wir jetzt fein gelernt, da brauchen wir nicht mal mehr 'ne Schnur dazu.“
Nach etwa einer halben Stunde hat sich der Alte wieder so weit erholt, dass er wieder in seinen Schrei ausbrach: „Lasst mich am Leben“, worauf wieder eine ähnliche Szene einsetzte wie oben geschildert. Der Alte, von unglaublicher Zähigkeit, hat das mehrfach überstanden, als wir morgens um 6 Uhr antraten, lag er auf dem Boden der Halle im Staub und röchelte immer noch. Lange kann es dann aber nicht mehr gedauert haben.
Ein anderer Fall aus dieser Nacht: Einer der Gefangenen bricht plötzlich in Schreikrämpfe aus, die furchtbar durch die ganze Halle tönen und zunächst tatsächlich von hysterischen Schreikrämpfen nicht zu unterscheiden waren, die wir aber später oft erlebten als Zeichen beginnender Geisteskrankheit. Zu ihm stürzt einer vom Rollkommando: „Halt's Maul, oder ich mach dich kalt!“ Dadurch keine Einwirkung auf den Gefangenen und als erste Maßnahme ein Fußtritt in das Gesäß, dass der Betreffende über zwei andere hinwegfliegt. Das Schreien geht weiter, darauf holt sich der andere eine Latte, mit der er den Schreienden zunächst so verdrischt, dass die Schläge laut durch die Halle klatschen und alles, was etwa noch geschlafen haben sollte, aufweckt. Das Schreien geht weiter, darauf bindet der andere ein paar Lappen an die Spitze der Latte fest, setzt sich neben den Schreienden, im geeigneten Moment stößt er ihm den Knebel tief in den Rachen. Das Schreien hört nun natürlich auf, man hört den Menschen nur noch röcheln. „Siehst du, mit Leuten von deiner Art verstehen wir auch umzugehen, siehst du, jetzt bist du ganz schön ruhig.“ Der Knebel wird nun etwas herausgezogen oder der Druck desselben nach Bedarf wieder etwas verstärkt und schließlich herausgezogen, als der Gefangene wohl beinahe erstickt war. Nachdem er sich erholt hat, fing er wieder an zu schreien, und ich glaube, kann es aber nicht ganz bestimmt behaupten, dass man dem Schreien diesmal Einhalt getan hat dadurch, dass man ihn würgte. Jedenfalls war dieser Mann morgens tot.
In dieser Nacht kamen außerdem noch zwei Fälle von Herzkrämpfen vor. Die Betreffenden wurden auf einen Tisch gelegt, der in der Mitte der Baracke stand: „Ihr Saujuden braucht uns mit solchen Geschichten wie Herzkrämpfen nicht zu kommen, das kennen wir schon, den Schwindel, da haben wir auch so unsere besondere Methode dagegen.“ Die Behandlung bestand darin, dass man diesen Gefangenen Wasser ins Gesicht schüttete. Einer von ihnen, der morgens noch auf dem Tisch lag und noch lebte, hatte seltsamerweise eine Wunde in der Herzgegend, woher sie kam, weiß ich nicht. Diese Wunde sah genauso aus wie die eines anderen, der sich selbst mit seinem Taschenmesser einen Stich in die Herzgegend beigebracht hatte. Ein anderer machte in dieser Nacht den Versuch, sich mit Veronal zu vergiften. - Ergebnis dieser Nacht: drei, vielleicht auch vier Tote in meiner Baracke. Da es in den anderen Baracken ganz ähnlich zugegangen sein soll, darf man annehmen, dass mindestens 15 bis 20 Tote pro Tag im Lager zu verzeichnen sind.
Es wurde uns gesagt: „Erkennungsmarken sind ein Ehrenzeichen des Soldaten. Ihr kriegt das nicht, aber wir raten euch, steckt euch einen Zettel in die Tasche mit der Adresse eurer Frau darauf, damit wir wenigstens wissen, wohin wir die Asche zu schicken haben.“
Am zweiten Tage antreten 6 Uhr früh, Versuch einer Ordnung in Abteilungen, die aber gänzlich misslingt, weil keine geordnete Befehlsgebung und überhaupt keine Befehlsübermittlung vorhanden waren. Infolge der Unklarheit der Befehle häufige Konflikte: Wenn es einer falsch macht, wird er mit einer Latte oder einem Holzknüppel geschlagen. War der Betreffende Soldat, dann nimmt er die Hacken zusammen und hält's Maul, dann ist es gut. Steht er nicht stramm oder versucht er in unsoldatischer Weise sein Missverständnis zu erklären oder zu entschuldigen, gibt es neue Hiebe mit dem Knüppel, und da hängt es nun vom Zufall oder von der Laune des Schlagenden ab, ob der Schlag etwas stärker oder schwächer erfolgt oder ob er auf die Schulter, den Rücken oder den Kopf und den Nacken trifft. Stärkere Schläge auf den Kopf und Nacken machen den Betroffenen leicht „groggy“, dann wird die Situation für ihn gefährlich, denn fängt er zu taumeln an, kommt unweigerlich der Befehl: „Nimm die Hacken zusammen! Willst du dich anständig hinstellen!“, und da er das nicht kann, folgen erneute Schläge bis zum Umfallen. Umgefallene werden entweder mit Fußtritten zum Wiederaufstehen gebracht oder liegen gelassen. Manchmal konnte man Dutzende von ihnen herumliegen sehen.
Schließlich wurden wir etwa um 10 Uhr verhältnismäßig ungeordnet auf den Platz vor der Kommandantur geführt, und dort fing man an, die Gefangenen nach Städten geordnet mit Namen aufzurufen. Eine kurze Unterbrechung zum Kaffee-empfang, eine etwas längere Unterbrechung zum Empfang der warmen Mahlzeit. Sonst ging diese Prozedur ohne Unterbrechung weiter bis um 6 Vi Uhr abends, sodass wir an diesem Tag rund zwölf Stunden gestanden haben. Selbstverständlich ist, dass die Älteren und die nicht Gedienten das nicht aushielten, sondern dutzendweise umfielen.
An diesem Tage waren wieder neue Züge mit Gefangenen gekommen, eine neue Baracke war bewundernswert schnell aufgebaut, aber nicht fertig geworden. Ich gehörte zu denen, die in dieser Baracke untergebracht werden sollten. Man trieb uns in die Baracke hinein, bis wir ziemlich eng zusammengepfercht standen. Dann Befehl, alles hinlegen, unterstützt vom Schwingen der Peitsche über unseren Köpfen, und wo man gerade stand, musste man sich in den Dreck werfen. Die Menschen lagen natürlich zum Teil übereinander und durcheinander, dass man sich kaum bewegen konnte. In dieser Nacht setzte bei vielen Durchfall ein. Die in der Nähe des Eingangs versuchten hinauszukommen, baten die Wache darum, austreten zu dürfen, was ihnen manchmal unter lautem Schimpfen und Schlägen gestattet, manchmal auch verweigert wurde. An der Latrine standen sie in langer Schlange. Es kam häufig vor, dass es einer nicht so lange halten konnte und dass er sich dann wohl oder übel entschließen musste, wo er gerade stand, die Hose fallen zu lassen und die Gegend zu verunreinigen, Grund genug für die Aufsicht, auf die Schweinejuden zu schimpfen und loszuschlagen. Stundenlang konnte man in dieser Nacht fast ohne Unterbrechung das Klatschen der Schläge und das Aufschreien der Betroffenen hören. Einmal fiel ein Schuss. Es ist klar, dass sich unter diesen Umständen immer weniger Leute heraustrauten und immer mehr es vorzogen, in der Baracke zu bleiben und alles in die Hosen laufen zu lassen. Die, die weiter vom Eingang entfernt lagen, hatten diese Methode sowieso schon anwenden müssen, weil sie nicht bis zum Eingang hindurch hätten dringen können. Auch in dieser Nacht Ausbruch der Zustände von akuter Verwirrtheit, wie ich sie von der vorhergehenden Nacht geschildert habe mit den zugehörigen Folgen.
Am nächsten Tage wieder um 6 Uhr Antreten. Wieder Stehen vor der Kommandantur bis um 11 Uhr, wieder viele Kollapse besonders bei den Darmkranken. Um 11 [Uhr] Befehl, alles linksum machen und hinsetzen, sodass man den linken Nebenmann zwischen seinen Beinen hatte. Vier Stunden lang mussten wir in dieser Haltung bleiben, die wohl auf die Dauer wohl noch anstrengender ist als das Stehen.
In der folgenden Nacht spielte das Verbringen von unruhigen Geistesgestörten nach der Waschküche eine besondere Rolle. Was dort geschah, habe ich natürlich nicht selbst gesehen, habe auch in dieser Nacht vor Erschöpfung vier Stunden bewusstlos geschlafen. Ich habe gehört, dass das Vorgehen in der Waschküche etwa so gewesen sein soll, dass man unter den üblichen Drohungen den Kopf in einen Kübel unter Wasser tauchte und ihn bis fast zum Ersticken darin festhielt. - Ein Gefangener sprang entweder in seiner Verwirrtheit oder auch in der Absicht des Selbstmordes gegen den elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun, ein anderer soll in der Latrine gefunden worden sein.
Jeder Vorgesetzte oder jede ältere Gefangene, der Vorgesetztenfunktion gelegentlich oder regelmäßig versieht, prügelt grundsätzlich.
Strafen: Eine Strafe, die häufig angewendet wird, sind die Prügel auf dem Prügelbock, der vor der Kommandantur steht und von dem man es oft klatschen hört. Dabei kommt es oft vor, dass die Haut des Gesäßes platzt und blutet. Eine andere Strafe, die ich täglich gesehen habe, ist das Stehenlassen der Gefangenen vor der Strafwand der Kommandantur. Sie bleiben da so lange stehen, bis sie umfallen. Diese Strafe wird erschwert dadurch, dass man dem Betreffenden einen Sandsack umhängt mit verschiedener Belastung. Eine andere Strafe: Das Anschließen mit der Hand an eines der Fenstergitter und ebenfalls stundenlanges Stehenlassen. Verschärft kann diese Strafe werden bis zum Anschließen beider Hände an das Gitter in einer Höhe, dass der Betreffende mit den Fußspitzen noch eben den Boden berührt, was praktisch einem Aufhängen an den Händen gleichkommt. Eine weitere Strafe: Zwei Gefangene werden an beiden Handgelenken mit einer Fessel versehen und um einen Baum herum so aneinandergeschlossen, dass sie sich kaum bewegen können. Wenn sie erschlaffen, hängt dann der eine an den Handgelenken des anderen und verursacht ihm durch das Gewicht erhebliche Schmerzen.