Berichte aus Nürnberg, Fürth, Regensburg, Lichtenfels und Ingoldstadt sowie aus Dachau
Arthur Berg, München, und Wilhelm Neuburger, Amsterdam, berichten am 22. November 1938 über die Verwüstung von Wohnungen, über Selbsttötungen, Totschlag und Misshandlungen, Verhaftungen und Verschleppungen in das Konzentrationslager Dachau, über Zwangsverkäufe von Häusern und Synagogenzerstörungen in Nürnberg, Fürth, Baden, Regensburg, Lichtenfels und Ingolstadt.
In Nürnberg seien nahezu sämtliche Wohnungen bis aufs Letzte demoliert worden. Viele Juden seien aus ihren mehrere Stockwerke hoch gelegenen Wohnungen auf die Straße gesprungen, um so den Tod zu finden. Dort seien sehr viele Misshandlungen vorgekommen, Verhaftungen nicht in so großem Umfang, im Alter noch nicht einmal bis 60 Jahre. In einer Nacht sollen in Nürnberg 170 Häuser im Beisein eines Notars verkauft bzw. verbrieft worden sein, zu festgesetzten Preisen. So wurde z. B. ein Wert von 85 000 RM auf 5000 RM festgesetzt. Mir ist ein Fall bekannt, dass ein älterer Herr, dem auch nahegelegt wurde, seine Häuser zu verkaufen, sich weigerte. Man hat ihn dann einfach mit in den Keller genommen und hat ihn so lange misshandelt und geschlagen, bis er gern in alles einwilligte. Als er herauskam, wurde ihm gesagt: „Dir ist doch nichts passiert?“, worauf er selbstverständlich antwortete: „Nein.“ - Alle Synagogen wurden verbrannt.
In Fürth wurden sämtliche Juden nachts gegen 2-1/2 3 Uhr aus ihren Wohnungen geholt, auch Kinder im jüngsten Alter, Kranke, schwangere Frauen usw. und auf dem großen Platz zusammengetrieben. Dort mussten sie bis 5 Uhr morgens stehen. Dann wurden sie ins Berolzheimerianum (jüdisches Krankenhaus) geführt und dort in einen großen Saal gebracht. Hier konnten sie sich auch setzen. Die Frauen wurden nach Hause geschickt, ebenso die Kinder. Dann wurden die Männer einzeln aufgerufen und jeder einzelne vor den anderen schrecklich misshandelt. Die Leute wurden dann nach Dachau gebracht.
In verschiedenen Orten im Badischen wurden die Leute in Viehwagen gesteckt. So wurden sie ohne Essen, aneinandergepfercht wie Vieh, das bestimmt besser behandelt wird, in zwei Tagen nach Dachau gebracht. Sie durften die Wagen auch nicht einen Augenblick verlassen.
In Regensburg wurden sehr viele Wohnungen zerstört und die Synagoge niedergebrannt. Es wurden dort auch jüngere Söhne (in einem Fall 16 Jahre) mit ihren Vätern verhaftet und mitgenommen.
In Lichtenfels (Oberfranken, Bayern) wurde die Synagoge niedergebrannt. Eine jüdische Frau wollte die Ritualgegenstände retten. Mehrere Kinder wollten sie daran hindern. Als die Frau diese abwehrte, töteten die Kinder die Frau und spielten mit den Gebetbüchern Fußball.
In Ingolstadt wurde sämtlichen jüdischen Familien, nachdem erst ihre Wohnungen zerstört und die Männer abgeführt waren, eröffnet, dass sie Ingolstadt innerhalb einer Stunde zu verlassen hätten. Sie begaben sich zu Fuß nach München.
Arthur Berg, München
Herr Wilhelm Neuburger, Courbetstr. 2t, Amsterdam