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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht aus Mannheim

Herr Lewartowski, Paris, übermittelt Einzelbeispiele aus Mann­heim für die Verwüstung und Plünderung von Wohnungen und Geschäften sowie des Friedhofs, die Zerstörung der Synagogen, Misshandlungen und Verschleppung in die Konzentrationslager und eine Selbsttötung.

Ich berichte Ihnen im Folgenden über die Ereignisse am 10. November in Mannheim.

Die Frau A. und ihre Tochter in Mannheim F wurden vollständig ausgeplündert bis auf das letzte Hemd, die Möbel wurden gänzlich zertrümmert. Herr B. und Frau in Mannheim J wurden ins Irrenhaus gebracht nach Wiesloch; da sie dort mit eiskaltem Wasser öfters begossen wurden, starb die Frau an Herzschlag. Herr C. in Mannheim D wurde vollständig ausgeraubt, ebenso das Mobiliar vollständig zertrümmert; Frau D., welche im selben Hause wohnte, ist dasselbe passiert. Der Rabbiner Dr. E. ist nachts im Nebel geflüchtet; die Hauptsynagoge wurde zeitlich in der Früh von SA vollständig ausgeplündert, die Wertsachen in ein bereitstehendes Auto geladen, etliche Kinder und Frauen, die zusahen, wurden von den Nazis vertrieben. Die Thoras wurden angezündet, das Kaufhaus Wronker in der Hauptstraße wurde vollständig ausgeplündert, die Fensterscheiben zerschlagen, ebenso das Mobiliar. Dem Besitzer des Cafe Schneider wurde sein Lokal gänzlich zertrümmert, er selbst in seinem Bette halb totgeprügelt, der Besitzer des Cafe Schloss beging Selbstmord, da man sein Lokal zertrümmerte, eine im selben Hause befindliche Synagoge wurde ausgeraubt und verbrannt. Am Friedhof wurden die schönsten Grabsteine herausgerissen; der Vorstand der Kultusgemeinde Simon, ein Mann von 70 Jahren, wurde halb totgeschlagen und ins Konzentrationslager gebracht. Frau F. wurde ebenfalls ausgeplündert, dem Kaufmann G. wurde alles ausgeraubt und zertrümmert und [er] nach Dachau gebracht, ebenso wurde Dr. H. ausgeplündert, halb totgeschlagen und nach Dachau gebracht.

Der Besitzer des Ufa-Palastes, ein Mann von 75 Jahren, stürzte sich vom dritten Stock auf die Straße, wo er tot liegen blieb. Dem Besitzer des Kaufhauses J. wurde alles geraubt und verbrannt und [er] nach Dachau gebracht.

Diese Beispiele zeigen, wie in Mannheim gewütet wurde, man könnte diese Beispiele fortsetzen, aber dazu müsste man zehn Seiten schreiben.

Berichterstatter:
Lewartowski, 19 Rue Fentier, Paris

 

Namenserklärung:

A = Frau Neumann
B = Herr u. Frau Schwarzmann
C = Herr Röhrenheim
D = Frau Esslinger
E = Rabb. Dr. Lauer
F = Frau Hirsch
G = Kaufmann Weil
H = Dr. Appel
J = Kaufhaus Aronstern oder ähnlich

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