Bericht aus Neustadt
Einige Wochen nach dem 10. November 1938 Bericht über die Zerstörung des Israelitischen Altersheims in Neustadt an der Weinstraße, die vorübergehende Unterbringung der Bewohner in Mannheim und die Notwendigkeit, sie im benachbarten Ausland unterzubringen:
EXPOSE
über das israelitische Altersheim für die Pfalz e.V., zu Neustadt an der Weinstraße, Rheinpfalz.
Das israelitische Altersheim in Neustadt, vielleicht das schönste Heim in Deutschland, wurde am 10. November 1938 in Brand gesteckt und samt seiner wertvollen Einrichtung vollständig vernichtet. Es ist das einzige Altersheim im Reiche, das auf diese Weise der Zerstörung preisgegeben wurde.
Das Heim beherbergte 72 Insassen (ohne Personal). Sie alle wurden in frühester Morgenstunde aus den Betten gejagt und notdürftig bekleidet auf die Straße getrieben. Zwei von ihnen konnten nicht mehr aufgefunden werden, sie sind bis zur Stunde vermisst. Einige weitere starben in den darauf folgenden Tagen und Wochen.
Der größte Teil der Insassen wurde zunächst in das israelitische Altersheim nach Mannheim verbracht, das aber bereits überfüllt war und somit keinen menschenwürdigen Platz für die alten Leute bot. Sie wurden in Gängen, Dielen, Waschküchen, Kellern und Treppen auf die notdürftigste Weise gelagert. Dieser Zustand war unhaltbar, es gelang nach Tagen, eine Etage in einem anderen Hause in Mannheim zu bekommen, in der im Ganzen 50 Menschen in fünf Räumen untergebracht werden mussten. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen darüber, wie sie dort hausen mussten. Immer je drei schliefen auf zwei Matratzen.
Die Aufrechterhaltung dieses entsetzlichen Zustandes kann nicht länger verantwortet werden; dazu kommt, dass die jüdische Gemeinde Mannheim und die Polizei Mannheim mit aller Entschiedenheit die Räumung des Hauses verlangen. Unsere Bemühungen, mit Hilfe der Behörde ein anderes Haus - in der Pfalz - zu bekommen, sind bisher ohne Erfolg geblieben. Aus diesen Gründen wissen wir keinen anderen Weg, als uns an unsere ausländischen Brüder zu wenden und ihre Hilfe in dieser besonderen Notlage zu erbitten. In Frankreich hatten wir bisher den Erfolg, dass uns die Aufnahme von zehn Greisen in zwei Altersheimen durch die jüdischen Stellen zugesagt wurde. Die Bemühungen, eine weitere Anzahl in Frankreich unterzubringen, werden fortgesetzt.
Wir stellen nunmehr die herzliche Bitte, dass auch Holland eine angemessene Zahl unserer Alten aufnehmen möge, damit sie ihren Lebensabend in Frieden beschließen können. Für die Verwaltung des israelitischen Altersheims für die Pfalz e.V.