Bericht aus Berlin
Der Polizeipräsident von Berlin berichtet am 21. Mai 1935 über die „innenpolitische Lage“ in den Monaten März und April 1935:
Einen begründeten Anlaß zu Beschwerden gibt das Verhalten der Juden. Es kann immer wieder festgestellt werden, daß die Juden ihre frühere Anmaßung zurückgefunden [sic] haben. Wo es auch sei, versuchen sie, jeden Umstand für ihre selbstsüchtigen und der Volksgemeinschaft abträglichen Zwecke auszunutzen. Dabei scheuen sie sich nicht, sich gelegentlich auch auf Äußerungen maßgebender Persönlichkeiten zu berufen. Bei geschäftlichen Anzeigen ist in der letzten Zeit mehrfach festgestellt worden, daß Juden ihr Geschäft ausdrücklich als jüdisches Unternehmen bezeichnet haben. Dies hat bei der arischen Kaufmannschaft von neuem die Forderung aufleben lassen, nunmehr auch die Geschäfte deutscher Kaufleute als solche bezeichnen zu dürfen, da doch das, was einem Juden erlaubt sei, einem Deutschen nicht verboten werden könne. Eine baldige Regelung dieser Frage dürfte zweckmäßig sein. (…)
Die Entwicklung der Judenfrage hat in den Berichtsmonaten die gleiche Richtung wie in den früheren Monaten behalten. Es zeigen sich immer wieder die gleichen Fälle von unsozialem Verhalten gegenüber deutschen Volksgenossen und von sittlichen Verstößen gegenüber deutschen Frauen. In zahlreichen Fällen mußte daher polizeilicherseits eingeschritten werden. Es konnte dabei in Erfahrung gebracht werden, daß nur ein geringer Teil der Verfehlungen der Juden zur Anzeige gebracht wird. Eine gesteigerte Mitarbeit der Partei und ihrer Organisationen erscheint daher unbedingt wünschenswert. Wichtig erscheint aber auch eine gesetzliche Regelung, die die Eheschließung zwischen Deutschen und Juden verhindert oder doch mindestens erschwert, da solche Eheschließungen immer wieder vorkommen und eine nicht unbeträchtliche Erregung hervorrufen.
In welchem Maße die Juden die ihnen gewährten Freiheiten ausnutzen und in wie hohem Maße sie sich dabei unsozial verhalten, mögen folgende Einzelfälle zeigen: (…)
Die Tätigkeit der Juden zur Sammlung ihrer eigenen Kräfte und Verbesserung ihrer Lage haben in der letzten Zeit in erheblichem Maße Fortgang genommen:
d) Wie aus dem Bericht über eine am 27. März d.Js. stattgefundene Versammlung des Kuratoriums der Deutschen Juden hervorgeht, beschäftigten sich die Juden damit, die Geschichte der jüdischen Rasse und der jüdischen Familien in einem Archiv niederzulegen. Zu diesem Zweck sind bereits Anweisungen an eine Reihe von Stellen gegangen und sind auch nicht unerhebliche Beträge zur Verfügung gestellt worden. Das Archiv verfolgt offenbar den Zweck nachzuweisen, daß ein Teil der Juden schon seit Jahrhunderten in Deutschland ansässig ist, um damit den jüdischen Anspruch auf gleiche Rechte besser begründen zu können.
e) Um den auswanderungslustigen Juden, die zum großen Teil keine Lust oder keine Gelegenheit haben, nach Palästina zu wandern, andere Unterkunftsmöglichkeiten zu verschaffen, hat der frühere Gerichtsassessor Dr. Karl Kindermann im Auftrage verschiedener jüdischer Gruppen mehrere Reisen nach dem vorderen Orient unternommen. Kindermann hat seinen Auftraggebern die Insel Cypern zur wirtschaftlichen Erschließung durch das Judentum vorgeschlagen. Die in Betracht kommenden jüdischen Organisationen haben sich aber bisher nicht entschließen können, auf diesen Vorschlag einzugehen. Kindermann will nunmehr einen Verein der jüdischen Cypernauswanderer gründen, um auf diese Weise seinen Vorschlag zu verwirklichen.
f) Die jüdische Versammlungstätigkeit hat auch in den Monaten März und April ihren außerordentlich großen Umfang beibehalten. Im März fanden über 2.000 und im April beinahe 2.500 Versammlungen statt. Bei der Beobachtung der Versammlungen haben sich insofern Schwierigkeiten ergeben, als ein großer Teil derselben in Privatwohnungen stattfindet. Die Beamten, die solche Zusammenkünfte dienstlich beobachten sollen, verlassen am Schluß der Versammlung die Wohnung, während die Teilnehmer dort verbleiben, um in anderen Räumen noch angeblich Tee zu trinken. Es besteht der Verdacht, daß die anschließenden Teeabende illegalen Zwecken dienen. Es erscheint daher notwendig, die jüdischen Versammlungen in Privatwohnungen einzuschränken, da sie sich nicht genügend überwachen lassen.
g) Die Auswanderung der Juden nach Palästina hält im früheren Umfange weiterhin an, ebenso aber auch die Rückwanderung von Juden, welche im Anfang des Jahres 1933 Deutschland verlassen hatten (vgl. hierüber unter II [Emigranten]). Außerdem ist die Zuwanderung ausländischer Juden in der letzten Zeit wieder mehr in Erscheinung getreten. Es kann sehr oft die Beobachtung gemacht werden, daß Juden fremder Staatsangehörigkeit, insbesondere Ostjuden , mit allen Mitteln versuchen, zunächst die Einreisegenehmigung zu erhalten, um sich bald nach ihrer Ankunft unter Ausnützung aller nur zur Verfügung stehenden Rechtsmittel im Inland festzusetzen. Das Hauptkontingent dieser Einwanderer stellt nach wie vor Polen, wobei sich die von dort kommenden Juden zurzeit gern auf die freundlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen berufen. Sie werden in ihrem Bestreben offenbar von dem polnischen Generalkonsulat in weitgehendem Maße unterstützt.
Verschiedentlich haben Ostjuden polnischer Staatsangehörigkeit bereits angegeben, daß ihnen im polnischen Generalkonsulat geraten worden sei, etwaigen Maßnahmen der deutschen Ausländerpolizei Widerstand entgegenzusetzen und keineswegs der etwa gegen sie erlassenen Ausreiseverfügung ohne weiteres nachzukommen. Das polnische Generalkonsulat sei gegebenenfalls bereit, Vorstellungen zu erheben und sogar beim Auswärtigen Amt zu intervenieren. Den Bestrebungen der jüdischen Zuwanderer entgegenzutreten, ist seit einiger Zeit deswegen besonders schwierig geworden, weil auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen der Sichtvermerkszwang z.B. gegenüber Österreich, der Tschechoslowakei, Ungarn, der Schweiz und anderen, aufgehoben worden ist.
In vielen Fällen sind die Maßnahmen der Ausländerpolizei deswegen ohne Erfolg, weil die in Frage kommenden Zuwanderer während der Zeit ihres Aufenthaltes in Deutschland ihre frühere Staatsangehörigkeit verlieren und dann als staatenlose Personen bestimmungsgemäß einen deutschen Fremdenpaß erhalten müssen.
Es scheint dringend geboten, daß mindestens hinsichtlich der Juden mit deutscher Staatsangehörigkeit, Maßnahmen ergriffen werden, die geeignet sind, den Standpunkt der Partei mehr zur Geltung zu bringen, damit Staat und Bewegung nicht in einen Zwiespalt geraten, der das Vertrauen des Volkes beiden gegenüber erschüttern müßte.
Emigranten
Die Rückwanderungen von Emigranten haben sich auch in den Berichtsmonaten nicht verringert. Allerdings ist im Ausland inzwischen bekannt geworden, daß die Rückwanderer mit der Überführung in ein Schulungslager zu rechnen haben. Daher bemühen sich viele Rückwanderer schon vor der Einreise, die zuständigen Behörden zu Stellungnahmen zu veranlassen. In zahlreichen Fällen konnte die Rückwanderung, indem sie für unerwünscht erklärt wurde, verhindert werden.