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Chronik und Quellen
1935
März 1935

Die Gestapo berichtet

Die Gestapo für den Regierungsbezirk Magdeburg berichtet am 4. April 1935 für März 1935:

Die Versammlungstätigkeit der Juden war auch im Monat März sehr lebhaft. Besonders zahlreich waren die Veranstaltungen der zionistischen Verbände. Ihren Jugendverbänden habe ich aus Anlaß der Palästina Woche gestattet, im geschlossenen Raume ihre Fahnen und Wimpel zu zeigen. Die Palästina Woche mit der nachfolgenden Palästina Schau hat deutlich gezeigt, daß es den Zionisten mit ihrem Auswanderungsgedanken ernst ist. Die in Magdeburg befindlichen jüdischen Jugendheime sind stark besetzt mit Jugendlichen, die für ihre Auswanderung nach Palästina vorgebildet werden. Sämtliche Veranstaltungen der Palästina Woche propagierten eine Rückkehr bezw. eine Auswanderung der Juden nach Palästina. Ich nehme hierbei Bezug auf meinen am 23.3.35 über die Palästina Woche und Palästina Schau erstatteten Bericht. Im Gegensatz zu den zionistischen Verbänden setzt sich der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten sehr stark für ein Verbleiben der Juden in Deutschland ein und damit für ein ''deutsches Judentum''. Auf der Versammlung der Ortsgruppe Magdeburg des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten stand wieder einmal im Brennpunkt der Erörterungen die Fragen der Wehrpflicht der Juden. Sehr starke Erregung hat unter den Juden die Regelung der Flaggenfrage anläßlich der Rückgliederung des Saargebietes am 1.3.35 und des Totengedenktages am 17.3.35 ausgelöst. Eine gewisse Empörung herrscht unter den Juden darüber, daß in Berlin ein Zionist die Vertretung der Juden den Behörden gegenüber inne haben soll. Es wird allgemein die Ansicht vertreten, daß ein Zionist, der schon mit einem Bein in Palästina stehe, hierzu die denkbar ungeeignetste Person sei. Für die Bekleidung dieses Postens kommt nach Ansicht der Juden nur ein Assimilant in Frage. In Anbetracht der großen Anzahl der nach Palästina auswandernden jüdischen Jugendlichen scheint der jüdische Frontkämpferbund sein Hauptaugenmerk auf die jüdischen Jugendverbände richten zu wollen. Bei jeder Ortsgruppe des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten sollen in nächster Zeit Jugendreferenten eingesetzt werden, die auf eine Zusammenarbeit des jüdischen Frontkämpferbundes mit den Jugendvereinen hinwirken sollen. In einer Versammlung von Mitgliedern der Synagogengemeinde in Magdeburg sprach der Landgerichtsrat i.R. Kurt Cohn , Chemnitz, über das Thema ''Unsere Arbeit, unsere Zukunft''. Cohn machte bemerkenswerte Ausführungen über den Arierparagraphen . Er sagte, daß die Anwendung dieses Paragraphen vom Gesetzgeber genau festgelegt sei und es unzulässig sei, die Anwendung darüber hinaus auf andere Gebiete auszudehnen. Nach seinen Ausführungen soll der Gauleiter von Hessen in Bezug auf solche Personen, die den Arierparagraphen auch auf andere Gebiete anwenden wollen, gesagt haben, ''es seien solche Leute, sagen wir mal, das Gegenteil von ritterlichen Kämpfern''. Sehr eingehend beschäftigte sich Cohn mit der ''sogenannten Minderwertigkeit der jüdischen Rasse im Verhältnis zur deutschen''. Er behauptete, daß häufig der Fehler gemacht werde, die ''deutsche'' Rasse zu über und die jüdische zu unterschätzen. Auch das deutsche Volk sei nicht ''rasserein'', denn es setze sich aus 6 bis 8 verschiedenen Rassen zusammen!, [sic] die völlig verschiedene Merkmale hätten und deren Charakterveranlagung direkt entgegengesetzt sei. Cohn versuchte ebenfalls darzulegen, daß die jüdische Rasse in Bezug auf geistige Leistungen der ''deutschen'' Rasse gleichgestellt werden müsse. Die Ausführungen des Redners sind den Ideen des Zentralverbandes deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens gleichgestellt. Ich beabsichtige, derartige Veranstaltungen, die unter dem Deckmantel der Synagogengemeinde durchgeführt werden, in Zukunft zu verbieten.

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