Die Gestapo berichtet
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Erfurt berichtet am 4. April 1935 für März 1935:
Konfessionelle Bewegungen
Katholische Aktion (…)
Wöchentlich finden für die katholischen Jugendlichen mehrere Heimabende statt, in denen in versteckter Form immer wieder versucht wird, die Jugend in ein gegensätzliches Denken zur Rassenlehre des Staates zu bringen. Die Geistlichkeit hat die Gefahr klar erkannt, daß mit dem immer mehr in den Vordergrund tretenden Rassedenken und Blutsgefühl die katholische Lehre stark gefährdet wird. Sie versucht daher mit allen Mitteln und unter Androhung aller biblischen Strafen das vernunftmäßige Denken ihrer Zöglinge über Blut und Rasse von der religiösen Seite aus zu unterbinden. (…)
In letzter Zeit ging die katholische Geistlichkeit dazu über, in den Kirchen u.a. auch Rassefragen zu behandeln. Geistliche Wanderredner des Jesuitenordens zogen von Ort zu Ort und hielten in den Kirchen Vorträge der vorgenannten Art. Der hiesige Bezirk wurde hauptsächlich von den Patres Klein, Ferdinand Kasper (S.J.) und Piepers (S.J.) aus Düsseldorf bearbeitet. (…)
Juden und Freimaurer
Die rege Versammlungs- und Vereinstätigkeit der Juden hat auch im Berichtsmonat angehalten mit Ausnahme der Werbetätigkeit der Zionisten für eine Auswanderung nach Palästina . Im letzteren Falle ist ein Nachlassen der Aktivität dieser Gruppe deutlich bemerkbar.
Am 14.3.35 gegen 20 1/2 Uhr kam es vor einer städtischen Schulturnhalle in Erfurt zu Demonstrationen gegen eine hiesige jüdische Sportgruppe. Die Juden wurden aus der Halle vertrieben; es kam zu lebhaften Kundgebungen gegen die Erfurter Stadtverwaltung, die den Juden immer noch Turnhallen und Sportplätze zur Verfügung stellt.
In den vom CV veranstalteten Versammlungen heben die Referenten immer wieder ihre hochstehende geistige Bildung, ihre Rassereinheit und Handelstüchtigkeit hervor und lassen indirekt durchblicken, daß sie den Ariern in vieler Hinsicht weit überlegen sind. Die Juden gehen schon wieder soweit, daß sie mit deutschen Mädchen arischer Abstammung Tanzdielen und andere öffentliche Lokale aufsuchen. Ein hiesiger Jude äußerte sich, daß nur der Jude in der Lage wäre, die arische Rasse zu veredeln. Da wegen dieses Verhaltens mit Ausschreitungen gegen den Juden zu rechnen war, habe ich ihn zum Schutze seiner Person auf die Dauer von 7 Tagen in Schutzhaft genommen.
Neuerdings befassen sich die Juden mit auffallendem Eifer an der Luftschutzschulung ihrer Angehörigen. Für diese Versammlungen hat sich, soweit festgestellt werden konnte, der Führer des Reichsluftschutzbundes Landesgruppe Thüringen als Referent zur Verfügung gestellt. Mit diesem Aushängeschild, der Beteiligung an der nationalen Landesverteidigung, versucht der Jude, in der Öffentlichkeit für sich Reklame zu machen.
Am 17.3.1935 veranstaltete der Bund jüdischer Frontsoldaten auf dem hiesigen jüdischen Friedhofe eine Heldengedenkfeier. Etwa 90 Personen beiderlei Geschlechts waren zu dieser Kundgebung erschienen. Zwei Geistliche im Ornat leiteten die Feier. Zu Störungen ist es nicht gekommen.
Bestürzung und Verwirrung hat unter den Juden der Flaggenerlaß vom 20.2.1935 hervorgerufen. Es wurde im hiesigen Bezirk jedoch widerspruchslos befolgt. Durch die vorübergehende Aufhebung dieses Erlasses durch den RMdI die Anordnung wurde hier vorerst nicht durchgeführt entstand eine Lage, die die Autorität des Staates aufs schwerste zu erschüttern drohte. So erschien am Tage der Herausgabe des Flaggenerlasses hier ein Vertreter der Juden und bat um Aufhebung des gegen sie ergangenen Flaggenverbots, weil nach zuverlässigen Nachrichten die Staatspolizeistelle Frankfurt die gleiche Anordnung bereits aufgehoben hätte.