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Chronik und Quellen
1935
Februar 1935

Die Gestapo Wiesbaden berichtet

Die Gestapostelle für den Regierungsbezirk Wiesbaden in Frankfurt erstattet am 6. März 1935ihren „Lagebericht“ für Februar 1935:

Das Judentum verhält sich nach wie vor in politischer Hinsicht ruhig. Bemerkenswert ist die Feststellung, daß in fast allen jüdischen Versammlungen der Hoffnung Ausdruck verliehen wird, daß auf die gegenwärtige Zeit der Bedrängnis eine Zeit der Besserung für das Judentum kommen werde und daß deshalb auszuharren sei. Wenn auch die Frage der Rassenbehandlung als feststehende Tatsache hingenommen wird, so scheint trotzdem ein Teil der Juden und vor allem die Halbarier christlichen Glaubens auch hier auf eine Abänderung in einem für sie günstigen Sinne zu hoffen.

Die Vereinstätigkeit der Juden ist trotz mehrfach erschwerender Auflagen weiterhin sehr rege. Es wird diesseits daran festgehalten, daß jüdische Veranstaltungen an Sonntagen grundsätzlich nicht gestattet werden; für Wochentage ist eine Höchstgrenze festgesetzt, bei deren Überschreitung Mehranmeldungen nicht genehmigt werden.

Auf Grund einer von hier aus ergangenen Anweisung haben die Einberufer von jüdischen Versammlungen in jedem Falle den zum Vortrag kommenden Stoff in genauen Wortlaut vorher einzureichen.

In den letzten Tagen wurde aus jüdischen Kreisen die Genehmigung zur Abhaltung wissenschaftlicher Vorträge gelegentlich von Stammtischabenden versucht. Unter dem Gesichtspunkt einer Kontrollmöglichkeit ist vorerst dem Antrag stattgegeben, jedoch unter den gleichen Bedingungen einer vorherigen Einreichung des genauen Textes.

Weiterhin hat sich im Berichtsmonat gezeigt, daß die Versammlungstätigkeit jüdischer Vereinigungen in den Städten des platten Landes gestiegen ist.

Der Viehhandel liegt, besonders in ländlichen Gegenden, nach wie vor in Händen der Juden. Der Landkreis Wetzlar beziffert den jüdischen Anteil auf 80%. Als Grund wird nach wie vor eine bessere Bezahlung durch die jüdischen Händler als durch die Viehverwertungsgenossenschaften angegeben.

Ebenfalls wird darauf hingewiesen, daß der jüdische Kleinhändler sich vermehrt um Legitimationsscheine bewirbt, da er mit einer Erschwerung der Ausstellung von Wandergewerbescheinen rechnet.

Aus dem Landkreis Weilburg wird auf ein Anwachsen der jüdischen Hausierer hingewiesen.

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