Gestapa-Bericht aus Dresden
Das Gestapa für das Land Sachsen erstatte folgenden (undatierten) Bericht für die Zeit vom 26. Januar bis 1. Februar 1935:
Die Februarausgabe des Mitteilungsblattes des sächsischen israelitischen Gemeindeverbandes bringt eine Aufstellung über die Zahl der jüdischen Bevölkerung in Sachsen. Danach ist die Zahl der Juden in Sachsen seit 1925 wesentlich zurückgegangen. Sie betrug 1925 0,46% oder 23.252 Juden und 1933 0,40% oder 20.584 Juden. Seit 1933 hat sie nun noch weiter abgenommen. Bemerkenswert ist hierbei, daß die Zahl der Juden in Leipzig (11.880) unverhältnismäßig größer als in Dresden (4.675) ist.
Die zionistische Ortsgruppe Dresden beabsichtigt in der Zeit vom 3.3. bis 10.3.1935 eine ''Palästina Werbewoche'' mit einer ''Palästinaschau'' durchzuführen. Auch ein Palästina Tonfilm soll aufgeführt werden.
Der Landesverband Mitteldeutschland des CV hielt in Leipzig eine Delegiertentagung ab, auf der über die Lage in Mitteldeutschland und im Reich folgende Herren sprachen:
Syndikus Sabatzky Leipzig
Dr. Hirschberg Berlin
Justizrat Dr. Brodnitz Berlin.
Am Tage vorher wurde auch eine Felix Goldmann Gedächtnisfeier in der Synagoge abgehalten, bei der Mitglieder einer Jugendgruppe in einheitlicher Kleidung (Kluft) auftraten, die sie vorher im Betsaal der Synagoge angezogen hatten. Auch nach der Veranstaltung kleideten sie sich wieder um, ehe sie das Haus verließen.
Die Ortsgruppe Chemnitz des RjF hielt einen außerordentlichen Kameradschaftsabend ab, auf der der Gründer des Lautmuseums Prof. Wilhelm Doegen Berlin einen Vortrag über ''Hindenburgs Kriegsgefangene auf deutscher Erde vor 20 Jahren in Klang und Bild'' hielt. Es wurden etwa 30 Laut und Lichtbilder aus ehemaligen deutschen Gefangenenlagern vorgeführt, zu denen Prof. Doegen Erläuterungen gab. Die letzte Aufnahme zeigte den verstorbenen Reichspräsidenten von Hindenburg. Gleichzeitig wurde die große Rede des Verstorbenen in Köln am 21.3.1926 wiedergegeben.
Im Schwesternbund der Fraternitasloge in Dresden sprach Frau Lydia Aschheim Baruchsen aus Breslau über ''Jüdische Maler und Bildhauer im europäischen Kunstschaffen der letzten 100 Jahre''. Die Aschheim sprach mit ausländischem Akzent und soll eine Russin sein.
Das Berliner jüdische Kulturbundorchester hielt auch in Dresden ein Symphoniekonzert ab, das von 500 Personen besucht war. Veranstalterin war die jüdische Künstlerhilfe Dresden.
Das im Gemeinderat in Dresden durch Wegzug des Dr. Leo Langermann freigewordene Mandat wurde mit dem Kaufmann und orthodoxen Juden Moses Hausmann, Dresden, Kurfürstenstr. 22, I, neu besetzt.
Das sächsische Volksbildungsministerium hat die Konzession zur Errichtung einer jüdischen Schule in Dresden erteilt.
Der jüdische Justizrat Dr. Drucker Leipzig ist durch Urteil des Ehrengerichts der Sächsischen Anwaltskammer wegen gröblicher Verstöße gegen die Standesehre mit der Strafe des Ausschlusses belegt worden. Drucker war ehemaliger Präsident des Deutschen Anwaltsvereins.