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Chronik und Quellen
1935
Januar 1935

Gestapa-Bericht aus Dresden

Das Gestapa für das Land Sachsen erstatte folgenden (undatierten) Bericht für die Zeit vom 5-11. Januar 1935:

Der ''Jüdische Schulverein e.V.'' Dresden hat zum Direktor der Ostern 1935 zu eröffnenden Volksschule den Lehrer Alfred Schäler bestimmt. Schäler war bis zum 30. Juni 1934 an der Staatlichen Bürgerschule in Gotha und wurde auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den Ruhestand versetzt.

Durch Verordnung des Herrn Staatsministers des Innern wurde der Fachausschuß jüdischer ambulanter Gewerbetreibender in der Ortsgruppe Dresden des Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens aufgelöst.

In einer Versammlung der zionistischen Vereinigung Leipzig sprach Dr. med. Wahl Dessau über ''Siedlungsprobleme in Palästina ''. Er führte u.a. aus, daß durch die politischen Verhältnisse baldigst ein Krieg zwischen Italien und Abessinien zu erwarten sei. Das Schicksal von Palästina selbst würde sich entweder in Paris, London oder Rom entscheiden.

Der Leipziger Rechtsanwalt Dr. Jacoby wurde als Verbindungsmann zwischen ''Sportverein Schild '' und ''RJF '' gewählt.

In der Ortsgruppe Leipzig des ''Jüdischen Frauenbundes '' wurde bekannt gegeben, daß in Zukunft Schulungsabende für Frauen veranstaltet würden, um über verschiedene Fragen der Erziehung intimer und ungezwungener reden zu können.

Im RJF, Ortsgruppe Leipzig, nahm Dr. Jacoby gegen die im Dezember 1934 stattgefundene Feier des Jüdischen Sportvereins ''Bar Kochba '' Stellung. Die Zeit sei zu ernst für Sektgelage usw.

Der Ausschuß für Kunstpflege der israelitischen Religionsgemeinde in Plauen veranstaltete einen nichtöffentlichen Kunstabend, der von 110 Personen besucht war.

Der CV , Ortsgruppe Dresden, hatte erstmalig in seiner Monatsversammlung einen 30 Mann starken uniformierten Ordnungsdienst, der sich aus Angehörigen des Sportvereins ''Schild'' zusammensetzte und gleichzeitig auch als Sprechchor auftrat. Der Polizeipräsident von Dresden ist angewiesen worden, für die Zukunft uniformiertes Auftreten zu verbieten.

Auch in Plauen i.V. üben die Juden Sprechchöre ein.

Am 1. Januar 1935 fand in Leipzig die Abschlußversammlung der Delegiertentagung Agudas Jisroel Landes und Jugendorganisation Deutschlands statt. Es hatten sich etwa 600 Juden der orthodoxen jüdisch religiösen Richtung eingefunden. Kurz nach Beginn der Veranstaltung mußte der Zugang zum Saal wegen vollständiger Überfüllung gesperrt werden. Mehr als 150 Personen fanden keinen Zutritt. Die Redner des Abends, Dr. Kohn Ansbach, Dr. Stein Köln, Jakob Rosenheim Frankfurt a/M. behandelten in ihren Ausführungen bei einer Sprechzeit von 20 25 Minuten lediglich die religiöse Bewegung der Agudas Jisroel Gruppe. Der Sinn ihrer Ausführungen ging dahin, die Juden als Glaubensmenschen zu erziehen, damit jeder Einzelne als vollendeter Jude aufrecht durch die Welt gehen könne. Das Ziel sei es, die Juden wieder in die alten Rechte der dreitausendjährigen Geschichte des Judentums einzusetzen. Bedauert haben sämtliche Redner, daß ein großer Teil der Juden mehr und mehr von den Grundsätzen ihrer Religion abgewichen wäre. Die sich innerhalb des Judentums gebildeten Richtungen seien verwerflich. Augenblicklich müßten alle Juden sich zusammenfinden und an der alten jüdischen Lehre ihrer Väter festhalten. In erster Linie müßte nunmehr zur jüdisch religiösen Erziehung der Jugend scharf durchgegriffen und insbesondere müßten mehr jüdische Schulen errichtet werden. Im Auslande, z.B. in Polen, Jugoslawien und auch anderen Staaten, wären schon viele solche Erziehungsanstalten für die Juden entstanden.

Die ''Wiener Neuesten Nachrichten'' bringen in ihrer Nummer vom 2.1.1935 einen Artikel mit der Überschrift: ''Die Zahl der jüdischen Ärzte in Deutschland''. Darin heißt es u.a.:

''Die Gesamtzahl der ausgewanderten Ärzte beträgt (somit) noch nicht 10%, während mehr als 90% in Deutschland verblieben sind.

Der durchschnittliche Hundertsatz der nichtarischen Kassenärzte von der Gesamtzahl sämtlicher Kassenärzte beträgt heute 11,4%.

Nach Ausschluß von 1.667 nichtarischen Ärzten sind noch immer 3.641 oder 60% aller Kassenärzte zugelassen. Dabei beträgt der Bevölkerungsanteil der Nichtarier nur 1%.''

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