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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Berichte über Einzelschicksale

Nach dem 10. November 1938 berichtete Heinz Nassau über Einzelschicksale während des Pogroms in Essen, Aachen, Düsseldorf und Vreden:

Aachen: Frau Spittel (Tuchfabrik Spittel und Franken) ist geschlagen worden.

Düsseldorf: Der 20-jährige Oppenheim wurde in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag auf der Straße durch SA-oder SS-Leute niedergeschlagen und wiederholt misshandelt. Auch Mutter und Schwester, die versuchten, ihm zu Hilfe zu kommen, wurden geschlagen. Ärztliche Hilfe wurde verweigert. Vreden, Kreis Ahaus, Westfalen: Es leben dort drei jüdische Familien. Die Männer - Mogendorf, Heymann und ein dritter - wurden aus den Häusern geholt und vollkommen schwarz gemacht (Teer oder Ruß?). Dann wurde der eine vor eine zweiräderige Karre gespannt, der zweite musste schieben und der dritte musste sich darauf stellen. So mussten sie im Trab durch den Ort. Wenn es nicht schnell genug ging, wurden sie getreten, geschlagen und bespuckt. Die Männer wurden dann barfuss über Glasscherben getrieben.

Essen: Albert Bergerhausen und Walter Forst wurden morgens durch ein SS-Rollkommando aus den Betten geholt. Sie durften nur die Hose über das Nachthemd ziehen und mussten mit zur Synagoge, wo sie zusehen mussten, wie sie in Brand gesteckt wurde. Dabei wurde gerufen: „Werft sie mit hinein“ und Ähnliches.

Essen: Robert Blumenfeld (Geflügelhandlung), Kasteienstraße, Vorsitzender des RJF, wurde bei der Plünderung seines Ladens geschlagen und in den Kopf gestochen.

Essen: Die Gefangenen wurden zunächst ins Polizeigefängnis eingeliefert. Dort wurden sie dann auf Haft- und Arbeitsfähigkeit untersucht und die über 55-Jährigen in Zügen, deren Fensterscheiben zugestrichen waren, mit unbekanntem Ziel abtransportiert. Im Gefängnis wurden sie verhältnismäßig anständig behandelt.

 

Ergänzender Bericht von Heinz Nassau über Einzelschicksale während des Pogroms in Essen, Essen-Werden und Münster:

Detaillierter Bericht! VORSICHTIG! - Zur entsprechenden Verwendung

Einer Krankenschwester in Tracht, die sich am brennenden jüdischen Jugendheim in Essen nach dem Schicksal des Verwalters und seiner Familie, die eventuell verwundet in dem brennenden Gebäude liegen konnten, informieren wollte, wurde durch einen Feuerwehrmann erklärt: „Die können ruhig verrecken! Ihr habt den vom Rath ja auch um die Ecke gebracht. Machen Sie, dass Sie fortkommen, sonst werden Sie auch kaputt geschlagen.“

Frau Ellie Samson in Essen, Haumannplatz 9, war bereits seit mehreren Wochen lebensgefährlich krank (Nerven und Herz). Behandelnder Arzt: Dr. Fritz Hoffmann. Als die SA in das Haus eindrang, um es vollkommen zu zerstören, wurde die über 60-Jährige aus dem Bett in den Garten geschafft. Den Mädchen, die man sehr angefahren hatte, weil sie bei Juden in Dienst waren, wurde auf die Bitte um einen Mantel oder eine Decke für die Kranke entgegnet: „Die alte Frau soll ruhig verrecken, sie soll froh sein, dass wir sie nicht auch noch kaputt schlagen.“ Frau Samson hat inzwischen in einem Krankenhaus Aufnahme gefunden.

Fritz Nassau, Inhaber der Firma Rhein-Ruhr Maschinenvertrieb in Essen, Privatwohnung: Elsa-Brändström-Platz, wurde am Donnerstag, morgens um ½ 7 Uhr verhaftet. Er wurde später schwer misshandelt und verletzt. Über sein weiteres Schicksal weiß ich nichts.

Auf dem holländischen Konsulat in der Dreilindenstraße in Essen erschien am Donnerstagvormittag gegen 10 Uhr ein holländischer Staatsangehöriger (Heyman?). Er war schwer misshandelt und verletzt worden.

In Münster ist bei den Wohnungszerstörungen sehr viel gestohlen worden. Vor allen Dingen wurde fast sämtliches Silberzeug entwendet. Auch die Sparkassenbücher sind verschwunden.

Das jüdische Altersheim Rosenau (Daniel-Fleck-Stiftung) erhielt mittags Anweisung, dass es bis 5 Uhr geräumt sein müsse. Das Heim liegt oberhalb Essen-Werden.

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