Bericht über die Zerstörung der Synagoge in Potsdam
Am 22. November verfasster Bericht über die Verwüstung der Synagoge in Potsdam, die Zerstörung der Trauerhalle auf dem Friedhof, die Verhaftung der männlichen Gemeindemitglieder und die Verschleppung der meisten von ihnen in das Konzentrationslager Sachsenhausen sowie die gewaltsame Schließung des Kinderheims in Caputh:
22. November 1938
In Potsdam ist, wie in anderen Städten auch, die Synagoge am Wilhelmsplatz schwer beschädigt worden. Da das Gebäude der Synagoge an einem der hervorragendsten Plätze Potsdams auf der einen Seite von der Hauptpost, auf der anderen von einem Wohnhaus unmittelbar umgeben wird, so hat man wohl aus diesem Grund davon abgesehen, die Synagoge wie in anderen Städten niederzubrennen. Die Synagoge ist infolgedessen von innen mechanisch schwer beschädigt worden. In das neben der Synagoge liegende Haus, in dem der Kantor mit seiner Familie wohnt, wurden Steine durch die Fenster geschleudert, sodass die Bewohner des Hauses sich nur mit Mühe und Not in Sicherheit bringen konnten.
Die jetzt zerstörte Synagoge wurde im Jahre 1903 feierlich ein geweiht. Sie steht auf derselben Stelle, auf der seiner Zeit Friedrich der Große1 eine Synagoge für die Potsdamer jüdische Bevölkerung errichten ließ. Auch in der neuen Synagoge befand sich der preußische Adler mit Zepter und Schwert als ein Symbol für dieses Bauwerk.
Auch auf dem jüdischen Friedhof am Pfingstberg ist die Friedhofskapelle zerstört und der Friedhof selbst gesperrt. Die Gräber selbst scheinen nicht beschädigt zu sein.
Von den männlichen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde zu Potsdam waren ursprünglich alle verhaftet. Auch die ältesten, unter denen sich einige Männer von mehr als 70 Jahren befinden, die aber wieder freigelassen wurden. Noch immer in Haft befinden sich unter anderem Rabbiner Dr. Hermann Schreiber sowie sein Sohn Dr. Paul Schreiber, der bis zur Verhaftung Lehrer an einer jüdischen Schule in Berlin war, ferner der erste Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Rechtsanwalt Dr. Marcuse. Verhaftet ist auch Dr. med. Fritz Hirschberg, bekannte Berliner Internist und Nachfolger des Professors Dr. Boas, der nach der Aufgabe seiner Praxis bei seiner Mutter in Potsdam wohnt.
Die meisten Verhafteten, darunter Rabbiner Dr. Schreiber, befinden sich im Konzentrationslager in Sachsenhausen. Gewaltsam geschlossen wurde auch ein Kinderheim in Caputh bei Potsdam. Es scheint so, dass die Kinder, die in diesem Heim untergebracht waren, nur mit Mühe und Not ihr Leben retten konnten, denn es wird zuverlässig berichtet, dass ein 15-jähriger Junge dem einjährigen Kinde eines der Lehrer das Leben rettete.