Aufruf zur Hilfe
Aufruf eines unbekannten Niederländers an seine Landsleute, den bedrohten Juden Deutschlands und Österreichs zu helfen und großzügig Flüchtlinge aufzunehmen:
Amsterdam, 15. November 1938
Sehr geehrter Herr,
Wir danken Ihnen für Ihre Bemühungen, wollen wir hoffen, dass heute oder morgen die Tore für Tausende Elende, Kinder, Frauen und bedrohte Männer, hier geöffnet werden. Jede Stunde spielt eine große Rolle, die Gefahr ist unbeschreiblich.
Es sind einige tausend Männer in Deutschland, Österreich versteckt, die jede Minute Gefahr laufen, gefasst zu werden und erschlagen zu werden, in Kamps; so viele sind in Wald usw. versteckt ohne Essen, so viele sind bereits gefangen und mit Erschlagen usw. bedroht. Es ist keine Zeit zu langen Konferenzen, wenn ein Schiff [vom] Untergehen bedroht ist, wird ohne Konferenz, ohne Schmussies, zur Rettung geschritten. Wenn einer nur im Wasser ertrinkt, springen viele ins Wasser zur Rettung. Wenn ein Haus brennt, ist ohne Redensarten Rettung von überall. Den Juden in Deutschland, Österreich droht eine viel größere Gefahr, was man sich nicht denken kann, wer das nicht angesehen hat.
Nun, Holland ist wirklich ein Musterstaat, aber sollen zunächst doch einige Tausende hereingelassen werden, die hier Verwandte haben, und sich um sie kümmern wollen, sie zu unterhalten, eine große Wohnung haben und in der Lage sind, sie zu ernähren. Auch wenn man die jüdische und evtl. nicht-jüdische Bevölkerung besuchen wird, werden sich alle verpflichten, eine Person zu sich zu nehmen oder sie in Kamps auszuhalten. Man muss organisieren, eine große Masse, mit Formularen sollen sie aufsuchen persönlich zu Hause, werden wir erreichen, dass mehrere Tausende Wohlhabende und Mittlere sich unterschreiben werden, für ein bis zwei Personen zu sorgen, damit werden wir beim Minister erreichen, dass für diese und so viele Personen, wo der Aufenthalt gesichert ist durch Mittel der Bevölkerung, sofort eine Bescheinigung auf Namen des Betreffenden ausgestellt wird und hier vorläufig für einige Wochen Unterkunft geschaffen wird. Jede Familie kann Platz finden für ein bis zwei Personen, dazu sind alle Menschen verpflichtet, bei dieser Katastrophe; wir wollen uns in die Lage derer, die sich dort befinden, versetzen.
Mobilisiert sofort morgen einige hunderte Frauen und Herren, die angesehen sind; die werden Ihnen die Unterschriften für die Verpflichtung, eine oder zwei Personen zu erhalten, zeichnen; auch in dem übrigen Lande müsste solches unternommen werden. Sie werden sehen, dass mehr als 50000 Menschen leicht gerettet werden können, diese Woche noch. Rettet schnellstens vor Hungersnot und Ermordung tausende Juden. Organisiert eine Kommission, auch die Menschen aus deutschen Gefängnissen herauszukriegen, diese sind sonst zum Ärgsten verurteilt ohne was. Zeit ist sehr kostspielig in dieser Gefahr, jede Minute kann was passieren, organisiert alles Nötige, Sonderzug, mit Begleitung von der Grenze, evtl. wenn möglich, diese schon ab Deutschland abzuholen.
Die jüdischen Banken sollen 10% sich selbst besteuern, auch die anderen wohlhabenden Menschen in der ganzen Welt; wir werden dann nicht an Hitler brauchen zu geben das Geld und noch das Leben.
Himmelschreiend ist das Elend!
Bis alle Mächte sich entschließen, werden Opfer fallen. Man kann ja vorläufig anfangen mit einigen Tausend, es sind hier auch Gemleinde-] Lokale oder leere Wohnungen, dann an der Stadionkade sind freie Plätze für Baracken, diese kann man in zwei Tagen bauen, derweil werden sie in Schulen, Synagogen, Vereinslokalen, Privathäusern sich aufhalten. Geld fehlt ja nicht, und diese werden nicht verhungern hier. Die Welt wird sorgen, Holland braucht sich nicht bange zu machen, nur öffnen die Türen vor dem Brand. Es wird immer in der Geschichte bleiben, was Holland in erster Reihe geleistet habe, war erste Hilfe von Holland. Wir danken dem Ministerpräsidenten, und denen, die helfen werden, wird das Gute vergolten sein.
Mit Brudergruß Freund der Menschheit