Bericht über Erlebnisse während des Pogroms
Ein unbekannter Augenzeuge berichtet über seine mehrtägige Haft im Rathaus ohne Misshandlung, Beschädigung der Synagoge und Zerstörung mehrerer Wohnungen:
29. November 1938
Als ich, meine Auswanderung ist vollkommen vorbereitet, am Donnerstag, dem 10. November, von einem Ausgang in die Stadt früh um 11 Uhr in unsere Wohnung zurückkehrte, fanden wir an der Tür einen SS-Mann, früheren Vertrauensmann meines Betriebes, vor, der uns sagte, dass wir unsere Wohnung nicht verlassen dürften. Kurz darauf erschienen sechs Mann SS und SA in Uniform, Kriminalpolizei in Zivil, die uns als verhaftet erklärten, und dann wurden wir in Begleitung von drei Mann, SS, SA und eines Sturmhauptführers zu Fuß durch die Hauptverkehrsstraßen des Ortes nach dem Rathaus gebracht. Von „Volkswut“ war nichts zu merken, im Gegenteil, wir wurden häufig gegrüßt. Auf dem Rathaus waren schon einige Verhaftete; im Ganzen sind ca. 35 Männer verhaftet worden.
Es wurde Protokoll aufgenommen, Hosenträger und Schlipse wurden uns abgenommen, und wir wurden in eine Zelle gesperrt, zusammen zwölf Mann. Nach einer Stunde wurden achtMann herausgerufen. Vor dem Rathaus stand ein Lastwagen, auf dem sich die Thorarollen, Gebetbücher und Wertsachen aus der Synagoge befanden, die von den acht Mann abgeladen und in ein Zimmer der Kriminalpolizei gebracht werden mussten. Dann wurden sie wieder in ihre Zelle geführt. Die Behandlung war anständig, wenn auch grob, es ist nichts passiert, wir haben Essen bekommen, Pritschen, Decken und Strohsäcke. Am dritten Tage kamen wir auch eine halbe Stunde ins Freie, Leibesübungen.
Das Auto wurde beschlagnahmt. Am Donnerstagnachmittag war Haussuchung mit zehn Mann, darunter einem früheren Buchhalter der Firma. Es wurde Unwichtiges mitgenommen, Geschirr zerbrochen, der Flügel wurde mit der Axt zerhackt.
Am Freitag früh hat ein Polizeihauptmann mit Begleitung von Kriminalbeamten die Wohnung besichtigt, per Rabbiner hat sich selbst gestellt. - Die Synagoge ist innen zerstört, aber nicht verbrannt, die Geräte wurden durchs Fenster geworfen. Siehe Artikel „A. Tageblatt“ vom 10. bis 13. November über diese Vorgänge.
Verhaftungen in der Nacht sind nicht vorgenommen worden, Misshandlungen sind nicht bekannt, drei bis vier Wohnungen wurden demoliert, darunter die von Herrn B. vollkommen zerstört, sogar die Kontakte aus den Wänden gerissen. Wir wurden Sonntagmittag entlassen und sind mit Entlassungsschein sofort abgereist. Bis Montag sind alle Leute unter 20 und über 60 Jahre entlassen worden, die übrigen wurden abtransportiert.