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Chronik und Quellen
1934
Dezember 1934

Bericht aus Braunschweig

Der Innenminister von Braunschweig berichtet am 14. Dezember 1934 an das Wirtschafts- und Arbeitsministerium in Berlin:

Am 7. November ds. Js. behandelte der Gauleiter Julius Streicher , Nürnberg, in der Stadt Braunschweig in 3 Massenversammlungen unter großem Beifall der Teilnehmer die Judenfrage . Durch die Ausführungen des Gauleiters Streicher ist die in weiten Kreisen der hiesigen Bevölkerung an und für sich vorhandene judengegnerische Stimmung erheblich gesteigert. Jene Versammlungsreden fanden umsomehr Widerhall, weil in der hiesigen Geschäftswelt die Vorbereitungen auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft getroffen wurden. Nach den bisherigen Erfahrungen pflegten hier gerade die jüdischen Geschäfte das deutsche Weihnachtsfest zum Anlaß zu nehmen, sich durch eine der jüdischen Geschäftswelt eigene aufdringliche und das Empfinden der arischen Bevölkerung verletzende Schaufensterreklame geldliche Vorteile aus dem Verkauf von Weihnachtsartikeln zu verschaffen. Die judengegnerische Stimmung der Bevölkerung richtete sich besonders stark gegen das hiesige jüdische Warenhaus Adolf Frank , Schuhstraße, das bei Dekorierung der Schaufenster christliche Symbole für seine Weihnachtsauslagen verwandte. Hier, im Brennpunkt des gesamten braunschweigischen Geschäftsverkehrs, sammelte sich immer wieder empörtes Publikum an. Die judengegnerische Stimmung wurde noch dadurch vergrößert, daß selbst Nationalsozialisten in Uniform und auch andere Uniformträger mit Hoheitsabzeichen das Geschäft zu Einkäufen aufsuchten. Die Sachlage wurde noch dadurch kompliziert, weil gerade in diesen Tagen ein verheirateter jüdischer Geschäftsmann dabei getroffen wurde, daß er ein arisches Mädchen nachts in seine Geschäftsräume mitgenommen hatte und in der Presse als Rassenschänder gebrandmarkt wurde.

Für die hiesige Polizeibehörde entstand auf diese Weise eine zwar durchaus klare aber auch sehr schwierige Lage.

Es ist selbstverständlich, daß die Anordnungen der Reichsregierung von den Behörden in Braunschweig durchgeführt werden. Es kann aber nicht im Willen der Reichsregierung liegen, daß die Durchführung in einer Form geschieht, bei der ein uniformiertes Polizeiaufgebot mit Gewalt gegen eine erzürnte deutsche Volksmenge vorgeht, die sich hinsichtlich ihrer Stellungnahme auf die Grundsätze der NSDAP berufen kann.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß ein solches Vorgehen den Wünschen der Juden entsprochen haben würde, schon deshalb, weil dadurch wundervolle Unterlagen für Greuelnachrichten zur Schädigung des deutschen Ansehens im Auslande gegeben und weil zugleich die Volksmenge an der NSDAP und ihrem Staate irre gemacht worden wäre. Dem Willen der Reichsregierung, einen ungestörten Geschäftsgang sicherzustellen, war also Beachtung zu sichern, ohne die eben geschilderten unheilvollen und unverantwortlichen Folgeerscheinungen herbeizuführen.

Zu dem Zwecke ist alles Erforderliche von hier aus geschehen, insbesondere hat die Polizei ihre heikle Aufgabe mit Nachdruck, aber auch mit dem gebotenen Verständnis für die schwierige Lage gelöst, mit dem Erfolge, daß ohne Gewaltanwendung und ohne unangenehmes Aufsehen die Stimmung in ganz kurzer Zeit beruhigt werden konnte, ohne den Glauben des Volkes an den nationalsozialistischen Staat zu erschüttern. Es muß hervorgehoben werden, daß die beruhigende Tätigkeit der hiesigen Kreisleitung wesentlich zu diesem Erfolge beigetragen hat. Ich muß insbesondere die Polizei gegen den Vorwurf der Eingabe in Schutz nehmen, als ob sie versagt habe. Gerade jetzt wird dieselbe Behauptung von der gleichen Seite erneuert. Die Polizei soll Einschreiten gegen Personen, die in den letzten Tagen sich gegen Kunden des Frank gewandt haben, abgelehnt haben. In Wirklichkeit sind die beiden Personen nicht nur daran gehindert, sondern es sind auch ihre Personalien festgestellt worden. Ich habe nunmehr dauernde Bewachung des Frank'schen Ladens während der Hauptgeschäftszeit durch Polizeibeamte angeordnet. Die Aufgabe der Polizei würde jedoch wesentlich erleichtert, wenn die jüdischen Geschäftsinhaber veranlaßt werden könnten, in ihrem Geschäftsgebaren und besonders bei ihren Auslagen die Zurückhaltung zu beobachten, die die hiesige Bevölkerung von ihnen erwartet.

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