Bericht aus Nienburg-Weser
Der Landrat des Kreises Nienburg-Weser berichtet am 24. November 1934 für November:
Im Berichtsmonat haben in erster Linie die Vorfälle der Judenhetze bei dem Wochenmarkt in Uchte, sowie in Stolzenau und Leese die Gemüter der Bevölkerung erregt. Ich nehme Bezug auf meinen Bericht 16. November 1934 - I Nr. 16105. L. - und bemerke, daß die Vorfälle in weiten Kreisen der Bevölkerung, auch bei vielen Parteigenossen schärfste Kritik erfahren haben. Inbesonderheit richtet sich die Kritik gegen den Ortsgruppenleiter in Stolzenau, dem man vorwirft der Spiritusrector der Judenhetze zu sein. Außerdem wurde anläßlich des in Nienburg stattgefundenen Vieh- und Kohlmarktes festgestellt, daß auf dem Marktplatz durch den in Nienburg wohnhaften Amtswalter Hausinspektor Günter, rote Zettel verteilt wurden, die die Aufforderung an die Marktbesucher enthielten, nicht bei Juden zu kaufen. Die Verteilung geschah auf Veranlassung der NS-Hago. Die Verteilung der Flugzettel führte zu Beschwerden aus den Kreisen der jüdischen Viehhändler. Die Weiterverteilung wurde polizeilich verboten, weil die Handlung gegen die Anordnung des Führers und Reichskanzlers verstieß und die Flugzettel nicht den pressgesetzlichen Vorschriften entsprechen. Es fehlte der Name des Druckers und Verlegers.
Ein beschlagnahmter Flugzettel ist in Anlage beigefügt.
Ich füge außerdem noch eine mir mit anonymen Brief aus Stolzenau zugeschickte Broschüre im Umschlag bei.
Es muß noch erwähnt werden, daß der Kreisleiter-Stellvertreter in einigen Ortsgruppenversammlungen und in einer Versammlung in Landesbergen der Landeshandwerksmeister Behme die Juden schwer angegriffen hat.