Deportation aus Theresienstadt
Die Diakonissin Johanne Aufricht schildert Ende Oktober 1944 in ihrem Tagebuch die Deportation von Freunden und Bekannten aus Theresienstadt:
Ein Schreiben erhalten. „Altersgrenze“ überschritten. Dennoch habe ich auch m. Sachen gepackt. Ich bin mit ihr in die Kaserne - wo sich wohl schon 1000 versammelt hatten. Wir fanden ein nettes Zimmer mit mehreren Personen u. warteten. Auf alles gefaßt. E[rna] sagte - ich fürcht mich nicht. Gott geht mit. Zusammen beteten wir noch „Jesu, geh voran“. Am Abend kam ich noch einmal mit einer Grazer Diakonissin - Erna empfing mich mit den Worten - „ich bin jetzt ruhiger - weil Du in 6 Wochen nachkommst.“ Wohin?? Am nächsten Morgen wollte ich mich schweren Herzens endgültig verabschieden. Der Zug fuhr in der Nacht fort. Wer ermißt m. Schmerz. Das war am
18. Okt. 44. Nun bin ich allein unter 40 000 Menschen.
19. Schw[ester] Margit ist auch so sehr traurig. Sie kümmert sich um mich. Alle anderen im Haus packen in den Gedanken, daß sie auch fortmüssen.
20.X. Ich gehe wie im Traum einher - Herr Gott, hilf tragen.
23.X. Dr. Sonnenschein mit Frau u. i4jähr. Sohn u. Fränkels fahren morgen. Dr. S. meint, sie treffen Erna an demselben Ort - wo? Ich hab ihr einen langen innigen Brief geschrieben u. wieder um Erlaubnis gebeten mitzufahren. Vergeblich. Habe allen unter bitteren Tränen beim Packen geholfen. Fr. Dr. 34 J. setzte sich oft hin, weinte u. sagte, wenn ich nur wüßte, wo mein i8jähr. Sohn vor 14 Tagen hingekommen ist. Herzleid schwebte über der ganzen Stadt.
25. Verlassen u. traurig gehe ich meine Wege - u. versuche den Fortgehenden zu helfen. Viele gehen aus unserem Haus. Die Männer sind zum Arbeitstransport eingereiht - u. ihre Frauen gehen freiwillig mit - vielleicht in den Tod. Auch bei diesem Transport wurde ich nicht zugelassen.
28.X. nach Barmen Menningen geschrieben: daß Erna fort ist, dürft ich nicht schreiben. Jetzt ist unser Haus fast leer. Auch unser Prof. Taussig mußte fort - seine beiden Töchter sind vor Wochen - fort - etw. später d. 19) [ährige] Sohn. Ich weiß, daß der Herr wird der Elenden Sache u. der Armen Recht ausführen. Ps. 140,13