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Chronik und Quellen
1944
Oktober 1944

Scham wegen Propagandalügen

Daniel Lotter schämt sich am 23. Oktober 1944 in seinem Tagebuch für die fortdauernden Propagandalügen, die über Juden verbreitet werden:

Gestern war Appell aller Männer von 16 bis 60 Jahren behufs Bildung der Volksstürmer. Vom Radio, den Zeitungen u. den Rednern werden alle Register gezogen, um die Begeisterung im Volke anzuflammen. Soweit ich beobachten kann, ist aber der Erfolg sehr mäßig. Der Vergleich mit der Volkserhebung von 1813, der stets herangezogen wird, paßt nicht. Damals war es ein Aufflammen des Volkswillens fast gegen den Willen der Regierenden, heute ist es ein Aufpeitschen durch die Inhaber der Macht, denen jedes Mittel recht war, recht ist, den Volkswillen zu unterdrücken und zu fälschen.

Die Unwahrhaftigkeit der Redner ist geradezu entsetzlich. Daß nur die Juden am Kriege und an allem Unglück schuld sind, haben diese Leute so oft gesagt, daß sie es vielleicht selbst glauben. Was soll man aber dazu sagen, wenn Kreisleiter Volkert sich gestern hinstellte und ausrief; Was haben wir den Juden getan, daß sie uns so teuflisch hassen? Weiß dieser Mann wirklich nicht mehr, daß sämtliche jüdische Gotteshäuser Deutschlands in einer Nacht von der SA zerstört und verbrannt wurden?

Weiß er nicht mehr, daß man den Juden ihr Eigentum geraubt und ihre Wohnungen in bestialischer Weise zerstört hat? Daß man sie wie Vieh zusammengetrieben, um Haus und Heimat gebracht und Männer, Frauen und Kinder nach Tausenden ermordet hat? Und da wagt es dieser Mann, von deutschem Gerechtigkeitssinn zu reden! Ehrlichen Deutschen steigt die Schamröte ins Gesicht, wenn sie an diese Schandtaten denken.

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