Aufstellung über geraubtes jüdisches Mobiliar
Kurt von Behr vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg listet am 8. August 1944 akribisch auf, wie viel geraubtes Mobiliar aus jüdischem Besitz an Bombengeschädigte Familien im Reich geliefert wurde:
Der Kampf gegen Juden, Freimaurer und die ihnen verbündeten und sonstigen weltanschaulichen und gegnerischen Mächte war von jeher eine vordringliche Aufgabe des Nationalsozialismus, und dies besonders in dem uns aufgebürdeten Kriege. Um alles Forschungsmaterial und die Kulturgüter der so gekennzeichneten Kreise in den von Deutschland besetzten Gebieten sicherzustellen und nach Deutschland abzutransportieren, hat der Führer auf Vorschlag des Reichsleiters Rosenberg angeordnet, in den besetzten Gebieten Bibliotheken, Archive, Logen und sonstige weltanschauliche und kulturelle Einrichtungen aller Art nach entsprechendem Material zu durchforschen und dies für die weltanschaulichen Schulungen der NSDAP sicherzustellen.
Der gleichen Regelung unterlagen Kulturgüter, die im Besitz oder Eigentum von Juden herrenlos oder nicht einwandfrei zu klärender Herkunft waren.
Mit der Durchführung dieser Aufgabe wurde der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg beauftragt. Im Zuge dieser Erfassung wurde auf Vorschlag durch den Leiter Westen des Einsatzstabes dem Reichsleiter der Vorschlag unterbreitet, die Möbel und sonstigen Einrichtungsgegenstände in den unbewachten jüdischen Wohnungen ebenfalls sicherzustellen und sie dem Reichsminister für die besetzten Ostgebiete zur Verwendung in den besetzten Ostgebieten zuzuführen. Auf Vortrag des Reichsleiters Rosenberg hat der Führer durch das Schreiben des Reichsministers und Chefs der Reichskanzlei vom 31.12.41 hierzu seine Zustimmung gegeben.
Zur Durchführung dieser Aufgabe wurde der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg für die besetzten Gebiete beauftragt. Der Umfang, den diese Aktion annahm, hat den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg wegen personeller Schwierigkeiten veranlaßt, den Auftrag vom 14.1.1942 dem Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete zur Durchführung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben.
Der Reichsminister für die besetzten Ostgebiete richtete daraufhin am 25.3.1942 die Dienststelle Westen in Paris mit Einsatzleitungen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden ein. Der Leiter Westen des E.R.R. wurde mit der Führung dieser Dienstst. beauftragt.
Zunächst wurden sämtliche erfaßten Wohnungseinrichtungen und Gebrauchsgegenstände den Verwaltungen in den besetzten Ostgebieten zugeführt. Durch die einsetzenden Terrorangriffe auf die deutschen Städte und in der Erkenntnis, daß die Belange der Bombengeschädigten des Reiches den Belangen des Ostens Vorgehen mußten, hat der Reichsminister und Reichsleiter Rosenberg einen neuen Führerentscheid herbeigeführt, wonach den Bombengeschädigten im Reich, die aus der „M-Aktion“ anfallenden Wohnungseinrichtungen etc. zur Verfügung gestellt werden.
Die Beschlagnahme der jüdischen Wohnungen erfolgte in der Weise, daß in den meisten Fällen sog. Erfassungsbeamte, soweit Adressenmaterial der geflohenen und abgereisten Juden nicht vorlag, wie z. B. in Paris, von Haus zu Haus gingen und feststellten, ob verlassene Judenwohnungen vorhanden waren. Das Inventar dieser Wohnungen wurde durch den Beamten aufgenommen und die Wohnung versiegelt. Um Einsprüche zu vermeiden, vor allem durch Versiegelung arischer Wohnungen oder der nicht unter die Aktion fallenden Juden, blieben die Wohnungen im Durchschnitt zwei bis drei Monate unter Siegel und kamen erst dann zum Abtransport. In Paris allein wurden durch rund 20 Erfassungsbeamte über 38000 Wohnungen erfaßt. Der Abtransport der Wohnungen erfolgte unter Hinzuziehung des gesamten Fuhrparks der Vereinigung der Pariser Möbelspediteure, die täglich bis zu 150 Lastfahrzeuge mit 1200 bis 1500 französischen Arbeitern zu stellen hatten.
Die Räumungen wurden in A- und B-Räumungen unterteilt. A-Räumung bedeutet Erfassung aller vorhandenen Gegenstände, außer Möbel; B-Räumung = reine Möbelerfassung.
Der Transport erfolgte zunächst in große Sammellager, von wo aus die Einrichtungen umgeschlagen, sortiert und nach Deutschland verladen wurden.
Durch den geringen Personalbestand der Dienststelle Westen konnten die von den französischen Arbeitern verübten Sabotageakte nicht verhindert werden, sondern nahmen einen ziemlichen Umfang an. Um diesem Übelstand abzuhelfen, wurden zwei große Sammellager eingerichtet und als Arbeitskräfte vom SD 700 Juden zur Verfügung gestellt. Diese Arbeitskräfte wurden gleichzeitig in den einzelnen Lagern interniert. Bis zu diesem Zeitpunkt standen der Dienststelle keinerlei Facharbeiter, weder für die Verladung noch für die Reparaturen beschädigter Möbel, zur Verfügung. Mit der Einrichtung der sog. Judenlager wurden gleichzeitig Tischler-, Uhrmacher-, Schuhmacher-, Elektro-, Radio-, Kürschner- usw. -Werkstätten eingerichtet. Sämtliche anfallenden Gegenstände wurden einer eingehenden Sortierung unterworfen und alle nicht gebrauchsfähigen wieder instandgesetzt. Auch wurden für besondere Berufsarten Spezialkisten (Schneider-, Schlosser-, Installateur-, Sanitäts- und Ärztekisten) zum Versand gebracht.
Für die Sortierung der erfaßten Möbel und Einrichtungsgegenstände am unsichtbarlaufenden Band sowie für die Verpackung und Verladung wurden ausschließlich internierte Juden verwendet. Auf Grund der gesammelten Erfahrungen in der Erfassung, der Arbeitsweise in den Lagern und im Abtransport hat die Dienststelle Westen durch Umorganisation des gesamten Apparates mit dem ihr zur Verfügung stehenden geringen Personalbestand erreicht, daß auch die anscheinend wertlosesten Dinge wie Altpapier, Stoffreste, Altmaterial u. a. m. der Verwertung im Reich zugeführt werden. Sabotageakte ließen sich leider trotz schärfster Überwachung in den Lägern nicht vermeiden. Teilweise wurden sogar Sabotageakte auf dem Transport durch französische, belgische und holländische Eisenbahner ausgeführt, so daß Ladungen, die ordnungsgemäß verpackt, verladen und von den einzelnen Gau- und Städtebeauftragten abgenommen wurden, des öfteren in stark beschädigtem Zustand ankamen. Dieselben hätten einen noch größeren Umfang angenommen, wenn nicht die Deutsche Reichsbahn, deren Bombengeschädigte die Dienststelle Westen u. a. auch versorgte, sich mit Fachpersonal bei den Arbeitern der Dienststelle Westen in hervorragender Weise eingeschaltet hätte. Erfaßt wurden durch die Dienststelle Westen einschließlich der Einsatzleitungen insgesamt: rund 71619 jüdische Wohnungen, weiter wurden erfaßt, durch A-Räumung:
in Devisen und Wertpapieren RM 11.695.516.-,
Altmetall, Altpapier u. Spinnstoffe Kg. 3.191.352.-,
die zur Weiterverwertung an die zuständigen Reichsstellen abgeliefert wurden. Die Belieferung der Gaue und Städte ergibt sich aus der nachstehenden Übersicht:
Gau Stadt Waggons Gesamt
1942/43 1944 Stadt Gau
Baden Karlsruhe 481
Mannheim 326 82
Straßburg 50
Berlin Berlin 340 188
Düsseldorf Düsseldorf 378 111
Essen Essen 468 50
Duisburg 668 25
Oberhausen 542 63
Recklinghausen 92
Wuppertal 20
Hamburg Hamburg 2.435 264
Hessen-Nassau Frankfurt/M. 159
Mainz 195
Köln-Aachen Köln 1.261
Bonn 78
Aachen 118
Kurhessen Kassel 60
Mecklenburg Bolzenburg 320
Rostock 703
München-Obb. München 80
Oberdonau Linz 40 25
Ostpreußen Königsberg 128 7
Schlesw.-Holst. Kiel 204
Lübeck 83
Südhannover-
Braunschweig Hannover 291 131
Steiermark Graz 40
Weser-Ems Oldenburg 884
Osnabrück 1.233 36
Bremen 134
Wilhelmshaven 441
Delmenhorst 3.173 87
Westfalen-Nord Münster 471 52
Bottrop 40 50
Westfalen-Süd Bochum 505 50
Gelsenkirchen 52 75
Krefeld 107
Westmark Ludwigshafen 150
Saarbrücken 164
Württ.-Hohenz Stuttgart 46 100
Cleve 310 .
gesamt 18.665 Waggons
Lieferung an Reichsläger 1942-1944
Kehl
Schalding
Königs Wusterhausen
Stettin
Rünthe Zantoch
Saarbeck 8.191 Waggons
Lieferungen an SS-Div. und andere 577
Reichsbahn 1.576
Reichspost 196
Polizei 231
29.436 Waggons
= 736 Züge à 40 Waggons.
Der Personalbestand der Dienststelle Westen des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete hat durchschnittlich 82 männliche und 30 weibliche Beamte und Angestellte betragen.(…)
Die Dienststelle hat bis zum 31. Juli 1944 folgende Leistungen erstellt: 69.619 jüdische Wohnungen erfaßt.
Durch den Abtransport an die betroffenen Städte einschließlich Sonderaufträge kamen zum Versand: 69.512 komplette Wohnungen.
Das zum Abtransport gekommene Mobiliar und Inventar ergibt zusammengerechnet: 1079373 cbm Frachtraum.
Zu diesem Frachtraum wurden benötigt einschließlich zusätzlicher Lieferungen: 26.984 Waggons = 674 Züge.
Des weiteren wurden bei der Erfassung zugunsten des Reiches sichergestellt und an das Devisenschutzkommando übergeben für: 11.695.516 RM Devisen und Wertpapiere.
Aus den Einsatzleitungen Frankreich, Belgien und Holland kamen des weiteren zum Versand: 2.191.352 kg Altmetall, Altpapier und Spinnstoffe.
Von dem Referat Sonderaufgaben wurden bis Ende Juli 1944 an Bombengeschädigte, die in Frankreich eingesetzt sind, Möbel und Einrichtungsgegenstände im Werte von 1.516.186,- RM abgegeben.
Die vorstehend aufgeführten Leistungen wurden erreicht mit 30 weiblichen und 82 männlichen Beamten und Angestellten des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete.