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Chronik und Quellen
1944
November 1944

Einsame Trauer in Bergen-Belsen

Lilly Zielenziger beschreibt am 1. November 1944, wie sie den Todestag ihrer Schwiegermutter in Bergen-Belsen allein begehen muss:

Nach zwei schrecklichen Regentagen, an denen ich die Baracke überhaupt nicht verlassen habe, außer um zum Häuschen zu gehen, schien heute mal wieder die Sonne, aber es ist doch schon recht kalt und vor allem feucht. Wenn mir früher jemand gesagt hätte, um diese Zeit ungeheizt mit erfrorenen Zehen zu sitzen, hätte ich ihn für irrsinnig erklärt.

Heute vor einem Jahr ging ich mit Vati zum letzten Besuch zu Großmama und in der Nacht schloß sie ihre Augen. Am Morgen kam Vati zu mir in die Baracke, und ich schloß ihn tröstend in die Arme. Heute stehe ich hier mutterseelenallein, und niemand hilft mir über die qualvollen Stunden hinweg.

Ehrlich genug bin ich zu sagen, daß ich mir bei meiner positiven Lebenseinstellung versuche, aus irgendwelchen Dingen noch ein wenig Freude zu machen. So genieße ich selbst die täglichen Kohlrüben mit Andacht und freue mich über jedes Stückchen Fleisch, das mir dann kalt den Abendbrottisch bereichert. Ich decke mir mein Plätzchen sauber und nett und esse langsam die 4 cm Brot, die unsere Tagesration darstellen. Und wenn es gar, wie gestern, 4 Löffel Jam gibt, dann bin ich dankbar.

Pim, Du als Realist wirst auch dies begreifen, weil der Mensch nun einmal Materialist in allen Situationen bleibt und wir alle die Verwirrung der Gefühle kennen.

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