Lebensumstände im KZ Bergen-Belsen
Felix Hermann Oestreicher berichtet am 16. und 17. März 1944 in seinem Tagebuch von seiner Ankunft im Konzentrationslager Bergen-Belsen und den dortigen Lebensumständen:
Donnerstag, 16.3.1944
Sonne - nichts Warmes im Zug, abends Brei, der nach Kampfer schmeckt. Brot (geschrieben 17.4.). — Lange stehen auf der Strecke und dann in Zelle. Da viele zerstörte Waggons. Langer Zug auf einer Seitenstrecke. Passieren ein Flugfeld, das gegen die Bahn durch stehengelassene Bäume abgrenzt. Plötzlich Bahnsteig ohne Tafel. SS mit Hunden. Helfe beim Gepäckausladen, hoffend, mit Lastauto mitzudürfen. Nur kleine Kinder fahren. Alles marschiert in 5 Reihen. Kinder ermuntere [ich], daß sie gut gehen. Kommen an langem Lager vorbei. Zuerst im Wald verborgene Fabrik, die so hoch wie Bäume. Bei Registration 2 Schreibmaschinen, ein [Mann]. Gehe zu den Schuhen6- da sitzt man wenigstens. Ein Schlagbaum, rechts das Badehaus, links niedrige Baracken, Kantine r[echts] = Garage, wo Jud[en] arbeiten. Auch am Weg Auto mit J. drauf. Stacheldrahttor, dann noch in ganz niedriger Bar[acke]. Gepäck schon da. Frauen/Männer in extra Gebäuden. Bromberg ist Transportarzt. Plötzlich jemand (Dasberg) Leiter. Ein kleiner Vorraum, Kleiderkästen, Betten aus Holz über Eisen, 2 hoch, sehr enge Gänge, bei den Frauen noch enger. Komme weit hinten über Semmel z[u] liegen, auf Bitte [von] dessen Frau lege ich Leintuch unter den sehr leichten Strohsack. Kann für Gerda und Mutter nur einen engen Fensterplatz erlangen. Beate hustet stark. Die Kinder helfen auch etwas, das Gepäck hineinzubringen. Um 7 [Uhr] müssen wir vom [aus dem] Frauen-Saal. Genau weiß ich nicht mehr alles, nur daß wir die erste Woche von 8-6 [Uhr] schliefen und dies war von Wanderungen nach dem WC unterbrochen, aber traumlos und tief. Benütze dabei, da meine Hausschuhe naß, die Klompen von 2tem Bett entfernt. Paul ist mein Schlafnachbar. Hat seine Decke eingerollt und viel in diese Rolle hineingelegt. Den Wandkasten habe [ich] mit den 2 Neumanns, die anfangs angenehm. Der N. aus [Baracke] 84 schimpft viel mit den anderen und läßt sich viel bedienen.
Freitag, 17-3-1944
Regen - Kaffee, Kohlrübensuppe mit Fleischklumpen, Kartoffeln, Kaffee, dünner Brei, schmeckt nach Kampfer, Brot f[ür] 2 Tage - Nach % 8 [Uhr] aus Bar[acke] im Regen. Arons holt uns zum Bad ab. Wieder zu 5. Zuerst die [Männer]. Am Badehaus sind russische Aufschriften. Wir fürchten zuerst, daß viel weggenommen wird. Gebe Cigaretten u. Tabak an A. Die Kleider werden gedämpft. Nach der Entkleidungshalle eine Vorkammer, dann die Dusche, warm, Untersuchungskammer (Dr. A.), müssen auf anderer Seite etwas warten, gebe die warme Decke an andere. Beim Rückweg sehe Max. Weil die nur mit Augen zwinkern. Br[omberg] beschließt, eine Krankenstube anzufragen. Ein Tag ist wie der andere, so daß Schw[ester] u. Hans Stein auch nicht mehr Einzelheiten erinnern. Fr[üh] teilen wir medizinischen] Dienst. Bromberg macht viele Worte T[as] Männer, ich Frauen. Br[omberg] ist Direktor von Poliklinik. Die Menschen packen immerfort um ärztlichen Rat. At. läßt Medikamente einsammeln, am Samstag oder 20. wird Bagage abgefordert. Er hat nichts abgegeben. Beim Appell im Regen sieht Mutter sehr schlecht aus. Gerda u. Beate bleiben danach im Bett. Zuerst ist in die [Frauen] keine Ordnung zu kriegen, sich gleich früh zu melden u. beim Ärztebesuch nicht aus dem Schlafsaal zu gehen. Beim Appell, den ein XX mit Brille, Oberlehrertyp, abnimmt, ist erst schwierig die Aufstellung. Dasberg hat eine Pfeife. Krakenberger schreibt lange Listen. Der Eßraum ist sehr eng und niedriger als Schlafraum. Dann folgt der gemeinsame erste Waschraum. Dann folgt der ganze erste Waschraum + Abort, in den vier Ecken sind offene W. C., an Breitseite (Fenster) Pissoir, sogar 1 Spiegel ist da. Leider habe [ich] keine Maße genommen, wie eng alles ist. Zwischen unserer u. d. nächsten Ba[racke] ist ein Gang mit beiderseits Stacheldraht, in dem ein Posten steht, nachts mit Hund!, der morgens heult. Ahrons weiß auch, von [...], also funktioniert die Jpa. Mache mir 0 Hoffnung, [als] Arzt zu arbeiten.