Deportation in Gedicht verarbeitet
Elisabeth Welt aus Wien beschreibt am 28. Oktober 1943 in ihrem Tagebuch die Deportation ihres Freundes Herbert:
Genau einen Monat habe ich geschwiegen und auch jetzt leider nichts Gutes zu berichten. Die paar Zeilen, die ich am 15. (wieder einmal Tage außer Haus) niederschrieb, sagen vieles:
Du gabst mir die Hand und sagtest: auf morgen!
Wie immer, und konntest nicht wissen,
Daß in einer Stunde wir auseinandergerissen,
Du machtlos im Strudel, ich noch geborgen.
Nie hätten wir daran gedacht,
Des Schicksals Schlag traf über Nacht.
Mit einem Scherzwort trennen wir beide
Nur, wie wir dachten, für kurze Zeit.
Und eine Stunde, wie hat sie so weit
Dich weggeführt auf dem Wege zum Leide.
Des Schicksals Schlag kam über Nacht
Aus schönem Traum wir jäh erwacht.
Mein Herz weint, doch ich will nicht dran denken,
Wüßt ich, es hilft Dir, ich litt gerne mehr,
Und das eben, es quält mich zu sehr,
Daß ich machtlos das Schicksal zu lenken.
Aus schönem Traum wir jäh erwacht,
Der Tag, er hat Böses gebracht.
Ein einziger Wunsch ist’s, der mir geblieben
Ich bete zu Gott - nicht, Dich wiederzusehen,
Nein, daß es Dir gut geht, möchte ich erflehn
Vom Himmel, dann bin ich zufrieden.
Viel Böses hat der Tag gebracht,
Geb Gott, daß bald die Sonne lacht.
Am Mittwoch, den 13. war Herbert noch abends wie immer bei mir, nur kurze Zeit, da ich mich fürs Theater vorbereitete, aber er wollte mich doch sehen. Wir ahnten nicht, daß es zum letzten Mal war!
Als er nach Hause kam, war schon Polizei dort und machte Hausdurchsuchung. Ich hatte keine Ahnung davon und wartete Donnerstagabends vergebens auf Herbert. Gegen 8 läutete es plötzlich, und eine Freundin teilte mir mit, man hebe Ausländer aus, habe sie gehört, und Herbert samt Familie und noch viele andere seien verhaftet. Man sage, ein erwischtes U-Boot habe geplaudert, und da sie vielen geholfen hatten, ist die Sache leider sehr ernst. Ich habe ihm durch die K. g. einiges hereingeschickt, vorige Woche war Lebensmittelverbot, jetzt geht es wieder, also wenigstens Brot. Erst jetzt sehe ich, wie sehr er mir fehlt und daß ich ihn doch ganz gern gehabt habe. Besonders in den ersten Tagen war es fürchterlich. Jetzt habe ich mich schon ziemlich beruhigt und - zu meiner Schande, gestehe ich’s - auch vergessen. Das Leben geht weiter wie früher, und ich bin halt wieder einmal ganz allein. Hoffentlich kommt er nun wenigstens nach Theresienstadt! Die Ausländer hat man in ein Konzentrationslager geschickt, ich fürchte, das heißt: Tod. Gestern erhielt ich auch die Hiobsbotschaft, daß noch ein Brief von Rudi gekommen sei an ein Mädel, er hatte einen Zugunfall, verlor die Hand dabei und der Arm mußte ihm amputiert werden. Armer, armer Rudi, ich war verzweifelt, als ich das erfuhr, wenn ich ihm wenigstens schreiben könnte! Es ist fürchterlich, was sich jetzt überall abspielt, glücklich werden die sein, die den Krieg überleben werden! Leider werden es nicht allzuviele sein!