Kampf um Häuser
Am 28. August 1943 schildert ein Mitarbeiter des Reichsfinanzministeriums den Konkurrenzkampf um die Häuser aus dem Besitz deportierter Juden:
Die dem Reich verfallenen Judenhäuser werden vom Reichsfinanzministerium verwaltet. Sie bilden seit langem eine Quelle häufiger nicht immer sehr erfreulicher Schriftwechsel.
Der Reichsminister der Finanzen hat zunächst Judenhäuser nach Schätzung verkauft. Es stellte sich bald heraus, daß wesentlich mehr Kaufbewerber da waren als Kaufobjekte. Der RdF hat deshalb am 22. April 1942 angeordnet, daß Judenhäuser nurmehr an Kriegsteilnehmer, Verwundete beider Kriege, Umsiedler usw. verkauft werden dürften. Auch nach dieser Einschränkung war die Anzahl der Judenhäuser wesentlich kleiner als die Anzahl der nach dem Erlaß vom 22. April 1942 zugelassenen Kaufbewerber. Der RdF hat deshalb am 16. Februar 1943 durch einen neuen Erlaß einen vollkommenen Verkaufsstopp angeordnet. Seither ist das Geraufe um die noch vorhandenen Judenhäuser wesentlich stiller geworden. Trotzdem versucht man natürlich noch von allen Seiten, Ausnahmen vom Stopperlaß zu erreichen. Ein Beispiel, das mir gerade zufällig vorliegt:
Um den Erwerb der Villa Tonder in St. Gidgen bewerben sich zur Zeit
das Auswärtige Amt,
Generaloberst Guderian,
die Witwe des Reichsministers Kerrl,
Generalfeldmarschall von Weichs,
das Kampfgeschwader Boelke
und Generalstabsingenieur Lucht.
In einem anderen Fall stritten sich der Reichskriegsopferführer Oberlindober und der jetzige Polizeipräsident von Grolmann um ein Haus am Tegernsee mit derartiger Begeisterung, daß sogar dem RdF eine Schadensersatzklage angedroht wurde, wenn er das Haus nicht dem einen Bewerber zuspräche.
Eine Verkaufsausnahme scheint mir nur insofern angebracht, als man Dienststellen der Partei und des Staates die Möglichkeit geben sollte, Grundstücke - für Dienststellen, nicht für Wohnzwecke - zur Verfügung zu stellen. Die Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum wird dafür sorgen, daß nicht irgendwelche Dienststellen Wohngrundstücke aus Judenbesitz zu Bürozwecken erwerben. Jede andere Lockerung des Stopperlasses muss m. E. dazu führen, daß in vier Wochen der gesamte Judenbesitz veräußert ist. Dann gehen alle diejenigen leer aus, die sich jetzt nicht um Judengrundstücke umtun können, weil sie an der Front stehen.
Eine Ausnahme für Ritterkreuzträger halte ich für bedenklich. Ich darf folgende Beispiele nennen:
Wir haben seinerzeit für Galland in Berlin ein sehr großes Haus locker machen müssen, als Galland heiratete. Familienväter mit 6 bis 8 Kindern hätten das Haus besser ausgenutzt.
Anderes Beispiel: Der Kriegsblinde, der Kriegsverletzte, der beide Arme verloren hat. Ist es nicht aus sozialen Gründen wichtiger, diesen Männern eine geeignete Wohnung zu verschaffen?
Vor einigen Monaten bewarb sich die Witwe des Generals Eibl um ein Judenhaus. Ich habe damals den Fall dem Herrn Reichsleiter vorgelegt und ausgeführt, es sei noch besser, daß in einem ganz besonders gelagerten Ausnahmefall (General Eibl Träger der Schwerter zum Eichenlaub, gefallen, beide Söhne als Fliegeroffiziere gefallen) der Führer der Witwe ein Haus schenkt, als daß der Stopperlaß aufgehoben wird. Herr Reichsleiter hat damals diesen Standpunkt gebilligt. Der Führer hat sich bereit erklärt, Frau Eibl das Haus zu schenken. Die Sache ist bisher nicht durchgeführt worden, weil der Erlaß des Führers über den Landerwerb durch Verkauf oder Dotation im Laufe des Krieges dazugekommen ist.
Neuerdings hat der RdF persönlich angeregt, wir wollten die Judenhäuser im Einvernehmen mit den Gauleitern schon jetzt verkaufen. Staatssekretär Reinhardt hat sich zwar dagegen ausgesprochen. Es soll aber in einiger Zeit eine Ressortbesprechung zwischen OKW, Partei-Kanzlei und RdF stattfinden, zu der der RdF einladen wird. Ich werde zur Vorbereitung dieser Besprechung eine Vorlage für Herrn Reichsleiter machen und IIIA, III B und III C beteiligen.