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Chronik und Quellen
1943
Juni 1943

Verhaftung in Nürnberg

Vom 9. bis 17. Juni 1943 hält Bernhard Kolb in seinen Tagebucheinträgen seine Verhaftung in Nürnberg fest:

1. Der Schlußakt Nürnberg.

9.6.43. Erster Schewuothtag. Trotz Verbot der Abhaltung von Gottesdiensten durch die Reichsvereinigung war es mit Einverständnis der Geh. Staatspolizei möglich, allwöchentlich Freitagabend und Sabbatmorgen regelmäßig und an den Festtagen vollen Gottesdienst abzuhalten. Für das Schewuothfest hatte ich das Gottesdienstzimmer mit den alten Thoraschrankvorhängen, Thoramäntelchen, Thoraschildern und Aufsätzen, großen und kleinen Leuchtern sowie mit frischem Grün und Blumen geschmückt.

Früh 8 Uhr werde ich angerufen, daß ich am Vormittag bereit sein sollte, da Beamte der Gestapo in die Geschäftsräume (der Kultusgemeinde) kommen werden. Während des Gottesdienstes kam dann der Bescheid, daß die Besprechung erst am folgenden Tag stattfinden werde.

10.6.43. Bei Beginn des Mussafgebetes werde ich gerufen, die Beamten seien angekommen. Es wurde mir eröffnet, daß die Reichsvereinigung mit allen ihren Organisationen aufgelöst sei. Ich habe in kürzester Zeit eine genaue Aufstellung über Vermögen, Mobiliar und Inventar der Verwaltungsstelle Nürnberg zu liefern. Es ist alles beschlagnahmt. Weiter seien alle Geschäftsführer in Haft zu nehmen. Nachmittags 5 Uhr wurde mir mitgeteilt, daß in Anbetracht der jahrelangen Vertrauensstellung von einer Polizeihaff abgesehen werde; ich sollte mich entweder in dem Geschäftszimmer zu den Abwicklungsarbeiten oder in meiner Wohnung aufhalten.

12.6.43. Abends 6 Uhr werde ich von der Gestapo zur Schutzhaft abgeholt, da eine neuerliche Weisung aus Berlin dies aufs strengste anordnet. Die Haft würde jedoch nur bis 15.6. früh V2 8 Uhr dauern. Im Gefängnis - Schutzgefängnis wo ich mit dem Geschäftsführer von Fürth, Herrn Julius Früh, zusammenkam, hatten wir auf Weisung der Gestapo alle Erleichterungen, wie Erlaubnis zum Rauchen, Lesen, Kartenspielen, Selbstverpflegung durch die Familie und keine Kontrollen. Im Gefängnis erfuhr ich, daß nach der Haftentlassung unsere Evakuierung in den nächsten Tagen erfolgen wird.

15.6.43. Pünktlich um 7.30 [Uhr] werden wir von der Gestapo aus der Haft abgeholt und ins Polizeipräsidium begleitet. Hier erfahren wir, daß wir am 17.6. früh 8.30 Uhr nach Fürth - ehem. Waisenhaus - zur Evakuierung antreten müssen. Die Büroräume konnte ich nicht mehr betreten, die noch nicht gefertigten Aufstellungen fertigte ich in der Wohnung an.

2. Weg in die Fremde.

17.6.43. Wir fahren um 8.30 Uhr mittels Möbelwagen mit unserem Gepäck nach Fürth. Außer der eigenen Familie - Ehefrau, Sohn, Tochter, Schwiegersohn und dessen Mutter - waren nur noch zwei Personen - Johanna Schwarz, Rudolf Schick - zur Evakuierung in Nürnberg vorhanden, die ebenfalls mitgenommen wurden. In Fürth wurden dann zwei Transporte - Osten und Theresienstadt - zusammengestellt. Schon früher wurde mir von der Gestapo die Versicherung gegeben, daß meine Familienangehörigen mit mir zusammen evakuiert werden, auch Frau Hedwig Neuberger. Zum Transport Theresienstadt wurden ferner eingeteilt: Julius Früh und Frau, Isaak Wormser und Frau, Paul Seligmann und Frau, deren Mutter Frau Goldmann und Tante Frl. Ballin, Frl. Eckstein - früher Bamberg - und eine Anzahl in Fürth wohnender Beamter (Krankenhaus), im ganzen waren es 25 Personen. Ungefähr die gleiche Anzahl kam zum Ostentransport. Abends gegen 8 Uhr wurden mit unserem Möbelwagen zuerst das Gepäck - Kontrolle fand schon im Heim statt - und dann die Personen zur Verladerampe gefahren. Aus Würzburg waren dort bereits zwei Wagen - ebenfalls Theresienstadt und Osten - eingetroffen. Für Theresienstadt waren es nur 36 Personen, die mit ihrem Gepäck in einem Wagen untergebracht wurden. Zwei Wagen gingen nach dem Osten (Auschwitz). Unser Wagen wurde die Nacht über auf dem Hauptbahnhof Nürnberg hinterstellt. Das Gepäck war von unserem Arbeitsdienst sehr gut im Wagen verstaut, auch drei zusammenlegbare Stühle, die wir aus der Wohnung mitgenommen, waren zu unserer großen Freude nicht vergessen. Nachzutragen ist noch, daß sich alle unsere Hausbewohner in der rührendsten Weise verabschiedeten.

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