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Chronik und Quellen
1943
Juni 1943

Unsicher Status von Mischehen

Am 4. Juni 1943 schildert Cläre von Mettenheim in ihrem Tagebuch, wie unsicher ihr Leben angesichts der Deportation jüdischer „Mischehepartner“ in Hessen ist:

Jetzt ist der Taunus bis Limburg „gereinigt“, d. h. alle Mischehen auf kaltem Wege erledigt, wie der schöne Ausdruck heißt. U. vor 1 Woche hat sich Frau Lotichius, nachdem sie am Tag vorher die Einreise in die Schweiz bekommen hat, im Hermesweg erhängt. Nicht ganz einleuchtend, sie ist jedenfalls tot u. kann ihre Erlebnisse in der Schweiz nicht berichten. Wir haben dies immer befürchtet.

Du kannst Dir dies Leben, das wir führen, nicht vorstellen. Jedes Telephon, wenn es schellt, jede Post - eine Angst. Auf der Straße ein Mann mit einer Liste - mit Mappe -ein Schupo sieht mich an - Angst. Es ist wirklich bald so, daß man nicht mehr kann. Dabei äußerlich ruhig u. zuversichtlich bleiben, auch Vater das Leben erträglich machen. Täglich ruft Dieter an: noch alles in Ordnung? U. ab u. zu Emmy: ich wollte nur wissen, ob Sie noch da sind. - Both, der seit diesem Jahr mit Dieter auseinander ist, sitzt mit einem halbarischen Mitarbeiter seit 1. April. Die Mutter dieses jungen Schnitzlein ist nun auch bei der Reinigung des Taunus verschwunden. Both hat in einem Soldatenbrief geschrieben, der Krieg sei eine Folge unserer Sünde. U. das kommt nun als Untergrabung der Schlagkraft des Heeres vor das Sondergericht! - Seit einigen Tagen wird unsere Küche zur Hälfte als Luftschutzkeller umgebaut. Der Herd ist schon abgetragen, u. zwar von einem Italiener, der in Frankreich Stukkateur war u. der einen alten Anzug u. Stiefel gegen Olivenöl getauscht hat! Eine 40 cm dicke Mauer wird von der Brandmauer aus gezogen. In diese Brandmauer ein Durchbruch u. vorne eine eiserne gasdichte Türe. Wenn wir auch bei Angriffen vielleicht nicht da hineingehen, ist es eine ganz gute Festung bei Unruhen.

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