Anweisung zur Deportation
Am 21. Mai 1943 weist das Reichssicherheitshauptamt die Stapoleitstellen per Fernschreiben an, alle noch im Reich lebenden Juden nach Theresienstadt oder Auschwitz zu deportieren:
Der Inhalt dieses FS. ist als „Geheime Reichssache“ zu behandeln.
Betr.: Evakuierung von Juden.
Bez.: Erlasse vom 20.2.1943 - IV B 4a 2093/42 g (391) und IV B 4a - 2537/42. Der Reichsführer-SS. hat angeordnet, daß bis - spätestens 30.6.1943 ~ die Juden aus dem Reichsgebiet einschließlich Böhmen und Mähren nach dem Osten bezw. nach Theresienstadt abzubefördern sind.
!.) Von der Abbeförderung ausgenommen sind jene Juden, die unter die in den Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung nach dem Osten (Rd. Erlaß vom 20.2.1943 - IV B 4a 2093/42 g - (391)) - bezw. der Wohnsitzverlegung nach Theresienstadt (Rd. Erlaß vom 20.2.1943 - IV B 4a 2537/42) sowie im Rd. Erlaß Pol. S. IV B4b 3214/43 g - 82 festgelegten Ausnahmebestimmungen fallen. Ausgenommen sind ferner jene Juden, die auf Grund besonderer Einzelanordnungen bis auf weiteres von der Evakuierung zurückgestellt worden sind. Weitere Ausnahmen sind unzulässig.
2.) Kranke und gebrechliche Juden sind mit zu erfassen.
3.) Die noch im Arbeitseinsatz Stehenden (ausgenommen die lagermäßig untergebrachten Juden) sind ohne Rücksicht auf Produktionsausfälle aus den Betrieben herauszunehmen und gemäß Richtlinien abzubefördern. Die Zahl der im geschlossenen Arbeitseinsatz stehenden, lagermäßig untergebrachten Juden (einschl. der seinerzeit zum geschlossenen Arbeiteinsatz in das Altreich verbrachten Juden ehemals polnischer Staatsangehörigkeit) ist bis zum 1.6.1943 zu berichten (Fehlanzeige nicht erforderlich).
4.) Desgleichen sind die bisher noch bei der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland bezw. ihren Bezirksstellen oder Kultusvereinigungen beschäftigten Juden gemäß Richtlinien für die Abbeförderung zu erfassen.
Damit werden diese Einrichtungen praktisch aufgelöst. An ihrer Stelle wird, soweit für die Durchführung behördlicher Anordnungen im Hinblick auf die noch zurückbleibenden Juden erforderlich, eine sogenannte „Vereinigung jüdischer Mischehenpartner“ mit dem Sitz in Berlin errichtet, deren Personal sich ausschließlich aus zurückbleibenden Mischehenpartnern zusammensetzt. Wegen der Abwicklung des von den Bezirksoder Verwaltungsstellen verwalteten Vermögens ergehen noch besondere Weisungen.
5.) Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass jüdische Mischehenpartner auf keinen Fall abzubefördern sind. Es darf auch sonst sicherheitspolizeilich gegen sie nur vorgegangen werden, wenn tatsächlich belastendes Material vorliegt. Soweit jüdische Mischehenpartner inzwischen aus allgemeinen Gründen festgenommen worden sind, sind sie sukzessive wieder zu entlassen.
6.) Die Abbeförderung nach Auschwitz bezw. nach Theresienstadt hat, sofern die Zahl weniger als 400 Juden beträgt, im Einvernehmen mit den zuständigen Reichsbahndirektionen in an Regelzügen angehängten Sonderwaggons in der Zeit vom 10. bis 30.6.1943 zu erfolgen. Die mit den Reichsbahndirektionen vereinbarten Termine sind 8 Tage vorher an das RSHA, IV B 4 zu berichten. Bei Transporten von mehr als 400 Juden sind rechtzeitig beim RSHA, IV B 4 Sonderzüge zu beantragen.
7.) Nach Abschluß, spätestens bis zum 30.6.1943, ist mir die Zahl der in den einzelnen Bezirken noch vorhandenen Juden (unterteilt nach den einzelnen Punkten der Richtlinien, die für eine Zurückstellung maßgebend waren) zu berichten. Diese statistischen Berichte sind zunächst bis auf weiteres ab 1.7.1943 jeweils zum Monatsanfang unter Berücksichtigung aller Veränderungen (Sterbefälle, Schutzhaftfälle usw.) laufend zu ergänzen (Fehlanzeige erforderlich).
8.) Zur Überprüfung der Fälle, in denen Juden auf Grund besonderer Anordnungen Ausnahmen (Zurückstellung von der Evakuierung, Befreiung vom Kennzeichnungszwang u. ä.) zugestanden worden sind, ist mir zum 1.6.1943 eine Nachweisung nach folgendem Muster vorzulegen:
1.) Laufende Nummer,
2.) Vor- und Zuname,
3.) Geburtsname und -ort,
4.) jetzige Anschrift,
5.) Art und Grund der Ausnahmebehandlung,
6.) Dienststelle, von der die Anordnung getroffen wurde, Datum und Aktenzeichen,
7.) Bemerkungen (Fehlanzeige ist erforderlich).
Zusatz für Kattowitz und Litzmannstadt: Die Frage einer Abbeförderung der von der Organisation Schmelt eingesetzten bezw. der Juden aus dem Ghetto Litzmannstadt wird von meinem Referenten, SS-Obersturmbannführer Eichmann, an Ort und Stelle besprochen.