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Chronik und Quellen
1943
April 1943

Evangelische Kirche verweigert Abendmahl

Cläre von Mettenheim beklagt in ihrem Tagebuch am 13. April 1943, dass die evangelische Kirche ihren Mitgliedern jüdischer Herkunft das Abendmahl verweigere:

6.4.43 Das war vor 1 Woche. 13.4. u. da konnte ich nicht schreiben, denn bei jedem neuen Schlag dauert es eine Zeit, bis ich das Gleichgewicht wiedergefunden habe. Heute ist ein wundervoller Frühlingsabend, die Bäume blühen im Garten gegenüber, u. ich muß dankbar sein, daß ich das habe. Das u. daß unser Haus noch unversehrt ist. Beim letzten Angriff war Dieter im Haus u. ich blieb ruhig im Bett. In meiner Lage wäre ein solcher „Kriegstod“ eine Lösung. Der Familie wäre es unbedingt leichter. Was sich auch nach dem Tod von Frau Hessenbergs Onkel Steinthal herausgestellt hat: er hat das Richtige getan, die Familie lebt auf, unbehelligt.

Hans Jörg ist in Rußland gefallen u. nicht begraben, sie mußten ihn beim Rückzug liegenlassen. Wenn der Gedanke auch schauerlich ist, so habe ich mir überlegt, daß schließlich [...] u. all die Tausende Juden auch nur in ein Loch geworfen wurden, nachdem sie ausgeraubt waren. Schlimmer werden’s die Russen auch nicht machen. - Aber nun will ich Dir doch von meinem Kummer erzählen, der mich am 6. am Schreiben hinderte. Wir hatten besprochen, wann wir das Abendmahl nehmen u. - da es von der Kirche verboten (aber geheim verboten) war, daß Rassejuden es nehmen dürfen – ob wir unter den augenblicklichen Umständen Veidt in Verlegenheit bringen könnten damit. Vater trifft an dem Abend in einem Konzert Veidt u. sagt ihm von unseren Erwägungen. Veidt wird nachdenklich, will sich’s mal überlegen - wir könnten es ja in der Wohnung nehmen (!) -, hat aber bis heute noch nichts von sich hören lassen. Nun - ich würde ja unter diesen Umständen danken, denn wenn ich nicht in die Gemeinde gehöre - was bleibt dann von Kirche, Taufe, Sakrament u. Bibel? Damit ist doch alles hinfällig. Aber ich wußte doch trotz des Kummers - u. der Wut -, daß das eben Menschenschwächen sind u. die Angst mächtiger ist als Christi Macht in den Herzen. Ich halte mich an ihn u. nicht an Veidt u. Maas und all die armen Geschöpfe.

- Das O. K. W. - auch Angst und arm - hat geantwortet, die Entscheidung dauere noch eine Zeit, weil die Dienststellen des zivilen Sektors (sprich Partei und Staatspolizei) gehört werden müssen. Arme Wehrmacht, arme Kirche. - Und an einem so schönen Frühlingsabend tut es doch weh, Mann u. Sohn allein Weggehen zu lassen - man möchte einmal auch fort u. einmal nicht gezeichnet sein. Die „Aktion“ scheint seit bald zwei Wochen stillzustehen. Aber man weiß einfach nicht mehr, was einen gefährdet, was nicht. Manche behaupten, man darf die „Grünanlagen“ nicht mehr betreten, nicht zum Friseur gehen - reisen sicher nicht. Unser Zimmer in Kreuznach haben wir abgesagt. Und all den Zwang, die Ungewißheit, die Angst los sein - schön wäre das. Wenn ich auch übermorgen mein 60. Lebensjahr beginne, so fühle ich mich noch nicht so alt -trotz allem. -

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