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Chronik und Quellen
1943
April 1943

Regelung des Postverkehrs mit Theresienstadt

Am 8. April 1943 informiert die Reichsvereinigung der Juden in Stuttgart die jüdische Bevölkerung per Rundschreiben über die Modalitäten des Postverkehrs mit Theresienstadt:

1. Betr. Postverkehr mit Einwohnern von Theresienstadt teile ich weisungsgemäß folgendes mit:

a) Es kann höchstens dreimal im Monat eine Postkarte in deutscher Sprache und in deutlicher Schrift, möglichst Block- oder Maschinenschrift, geschrieben werden.

b) Die Postkarte ist mit der genauen Anschrift des Empfängers in Theresienstadt, wie sie auf seinem Schreiben angegeben ist, zu versehen und unfrankiert in einen Briefumschlag zu legen, der mit der Anschrift

Reichsvereinigung der Juden in Deutschland
Berlin-Charlottenburg 2, Kantstr. 158

- zu dem Aktenzeichen VII Pr. bei der Post frankiert einzuwerfen ist. Die Weiterleitung erfolgt alsdann durch die Reichsvereinigung.

c) Außerdem ist einmal monatlich die Zusendung eines Liebesgabenpakets in der Größe eines Feldpostpäckchens, jedoch nur bis zum Höchstgewicht von 1 kg., ohne schriftliche Mitteilungen zulässig. Es ist mit der Anschrift des Empfängers in Theresienstadt versehen unmittelbar an diesen durch die Post zu senden.

d) Postkarte und Päckchen dürfen erst gesandt werden, nachdem der Einwohner von Theresienstadt seine Anschrift persönlich mitgeteilt hat. Anfragen nach den Anschriften bei Dienststellen sind zu unterlassen. Zu bemerken ist noch, daß, sobald die Anschrift des Empfängers in Theresienstadt bekannt ist, an ihn auch von solchen Personen geschrieben werden kann, denen der Empfänger in Theresienstadt seine Anschrift nicht unmittelbar mitgeteilt hat. Entsprechendes gilt auch für die Versendung von Päckchen. Von dieser Möglichkeit sollte jedoch nur in beschränktem Umfange Gebrauch gemacht werden, damit nicht durch eine unverhältnismäßige Häufung von Postsachen die Abwicklung beeinträchtigt oder erheblich verzögert wird. Genaueste Beachtung ist erforderlich, da Zuwiderhandlungen die Gefahr der Einstellung des Postverkehrs zur Folge haben.

2. Ich wiederhole die Mitteilung aus Rundschreiben Nr. 2, daß jede Geschenksendung an Abgewanderte, die sich nicht in Theresienstadt befinden (auch in Briefen oder Muster ohne Wertsendung), unzulässig ist.

3 Jede Veränderung des Arbeitsplatzes ist unverzüglich mir oder der Jüdischen Mittelstelle zu melden. Die bei mir eingegangenen Meldungen gebe ich der Jüdischen Mittelstelle weiter, da diese die Arbeitseinsatz-Liste führt und die behördliche Meldung für alle Juden hinsichtlich des Arbeitseinsatzes zu erstatten hat.

4. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß der zusätzliche Vorname bei jeder Gelegenheit zu führen ist, wo es im Rechts- und Geschäftsverkehr üblich ist, den Namen anzugeben. Hiernach ist es z. B. auch erforderlich, bei der Angabe eines Absenders auf Postsendungen die entsprechenden Vornamen anzugeben.

5. Die Kinder (Mischlinge) sind zu belehren, daß sie bei Fragen nach ihrer Abstammung antworten: „Mischling I. Grades“. Es kam vor, daß Kinder z. B. bei der Musterung zum Reichsarbeitsdienst angaben „arisch“, andere gaben an „halbarisch“. Da die Antwort öfters schüchtern herauskommt, wird das „halb“ überhört. Es entsteht dadurch Mehrarbeit, und es kann leicht zu Unannehmlichkeiten führen. Auch in der Schule muß eine korrekte Antwort gegeben werden.

6. Juden, die das Kennzeichen tragen müssen, ist bekanntlich die Inanspruchnahme von deutschen Friseuren verboten. Es steht z. Zt. kein jüdischer Friseur zur Verfügung. Sofern sich unter den in privilegierter Mischehe lebenden Juden jemand befindet, der nebenberuflich diese Tätigkeit ausüben kann, bitte ich um Meldung. Die Einnahme des bisherigen, auch nebenberuflich tätigen jüdischen Friseurs war recht einträglich.

7. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß das Ausgehverbot in der Zeit vom 1.4. bis 30.9. auf die Zeit von 21 Uhr abends bis 5 Uhr früh festgelegt ist.

8. Es wird daran erinnert, daß zur Weiterführung der Fragebogen jede Veränderung des Personenstandes, und zwar von jedem einzelnen Familienmitglied, sowie Änderung der Wohnung und des Arbeitsplatzes zu melden ist, also auch z. B„ wenn Kinder aus der Schule austreten und eine Lehrstelle annehmen.

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