Die Gestapo Aachen berichtet
Am 2. Februar 1934 erstattet die Gestapo Aachen ihren Lagebericht für den Monat Januar:
Jüdische Vereinigungen
Im Berichtsmonat machte sich bei den jüdischen Vereinigungen eine rege Versammlungstätigkeit bemerkbar, wobei als Redner stets auswärtige Juden aus Berlin und Köln auftraten. Der Bund jüdischer Frontkämpfer arbeitet darauf hin, daß die Juden in Deutschland wieder festeren Fuß fassen, betont sein Deutschtum und will für die jüdische Jugend in Deutschland neue Existenzmöglichkeiten schaffen. Die Zionisten dagegen betonen ihr Judentum und geben offen zu, daß sie ein eigenes Volkstum haben und ein Fremdkörper in jeder Nation seien. Diese beiden jüdischen Vereinigungen bekämpfen sich gegenseitig hart, wobei die Zionisten erklären, daß die Auffassung einzelner jüdischer Kreise, die mit einer baldigen Besserung der Verhältnisse in Deutschland für die Juden rechneten, grundfalsch sei. Sie betonen, daß alle westlichen Juden ihre Vorfahren in den Ostjuden zu suchen hätten, die nun zum Schaden des jüdischen Gemeinschaftsgedankens und Zusammengehörigkeitsgefühls von den inzwischen kultivierter gewordenen Westjuden verachtet würden. Am 14.1.1934 fanden in Aachen zwei Veranstaltungen der Zionistischen Ortsgruppe statt, die politisch keine Veranlassung zu Beanstandungen gaben. Am 20.1.34 veranstaltete die Synagogengemeinde Aachen eine Zusammenkunft, bei der Rechtsanwalt Dr. Zallmann aus Köln als Vorstandsmitglied der Reichsvertretung Deutscher Juden über die Gründung, Ziele und Zwecke dieser neuen jüdischen Organisation sprach. Er führte u.a. aus, daß nach der Machtergreifung durch die nationalsozialistische Regierung der Zustand der Ohnmacht der deutschen Juden etwa 6 Monate gedauert habe. Dann hätten sich jüdische Männer gefunden, um diesem Zustande ein Ende zu bereiten. Sie hätten die Reichsvereinigung Deutscher Juden gegründet, die Einigkeit des Judentums wiederhergestellt und alle bestehenden jüdischen Organisationen, die bisher gegeneinander arbeiteten, zu einheitlicher, zielbewußter Arbeit zusammengeschlossen. Die Reichsvertretung Deutscher Juden sei von der Reichsregierung und den Behörden als allein vertretungs- und verhandlungsberechtigt anerkannt worden. Ihr obliege auch die Betreuung des jüdischen Arbeitnehmers und sie erwäge, für ihn eine eigene Organisation zu schaffen, da er durch Gesetz außerhalb der Deutschen Arbeitsfront stehe. Ebenfalls solle die Neuorganisierung des jüdischen Schulwesens sowie die eigene Heranbildung von jüdischen Lehrkräften in die Wege geleitet werden. Die Reichsregierung habe für die Neueinrichtung jüdischer Schulen finanzielle Unterstützung zugesagt. Ein weiteres Ziel der Reichsvertretung sei die Stützung der jüdischen Kranken- und Bildungsanstalten, die Unterstützung der existenzlos gewordenen Unternehmer sowie die Schaffung eigener Kreditanstalten für die jüdischen Einzelhändler und Handwerker.