Bericht des Gestapa
Am 31. Oktober 1934 erstattet das Berliner Gestapa folgenden „Sonderbericht über politische Fragen“:
Boykott jüdischer Geschäfte
Beeinträchtigungen der Waren- und Kaufhäuser , Einheitspreisgeschäfte und sonstigen jüdischen Geschäfte sind hauptsächlich aus den Städten der westlichen Landesteile, aus den übrigen Landesteilen jedoch nur vereinzelt bekannt geworden. Sie sind erfolgt durch Behörden, Dienststellen der NSDAP , durch den Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes, die NS-Hago, die Organisationen Gewerbetreibender und durch einzelne Parteimitglieder und Angehörige der SA , SS und sonstigen Organisationen der NSDAP .
Die Beeinträchtigungen waren verschiedener Art, z.B. von seiten der Behörden durch Verbote an Beamte und Angestellte, in jüdischen Geschäften zu kaufen und durch Ausschließung jüdischer Händler von städtischen Märkten: von seiten der Dienststellen der NSDAP durch die Anordnung, daß das Betreten der jüdischen Geschäfte für SA, SS und Angehörige der Partei verboten ist: von Seiten des Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes und der NS-Hago durch Aufforderungen, jüdische Geschäfte zu meiden: von Seiten der Organisationen Gewerbetreibender durch Kundgebungen: von Seiten der einzelnen Parteimitglieder und Angehörigen der SA, SS usw. durch Behinderung der Käufer.
Infolge der Weisungen des Reichswirtschaftsministers und anderer höherer Stellen, in denen betont wird, daß zur Gesundung der Wirtschaft und zur Förderung des weiteren Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit eine Beruhigung der Wirtschaft notwendig und daher von allen nicht gesetzlichen Zwangsmaßnahmen Abstand zu nehmen sei, haben die Beeinträchtigungen der Geschäfte seit einigen Monaten erheblich nachgelassen. In letzter Zeit sind Beschwerden nur noch in einigen Fällen, z.B. Waldenburg und Heringsdorf laut geworden.
Das Weihnachtsgeschäft hat sich in den Geschäften der vorgenannten Art ohne nennenswerte Zwischenfälle abgewickelt. In Erfurt ist sogar die Beobachtung gemacht worden, daß Weihnachtseinkäufe mit Vorliebe in jüdischen Geschäften und in Einheitspreisgeschäften erfolgt sind. Namentlich die Lebensmittelabteilungen in den jüdischen Kaufhäusern waren fast zu jeder Tageszeit überfüllt. Die Kunden gehörten meist dem Arbeiter- und Mittelstand an: jedoch sind auch in größerer Zahl Eisenbahn- und Postbeamte sowie SA- und SS-Leute in Uniform bemerkt worden. Der Zustrom zu den jüdischen Geschäften war darauf zurückzuführen, daß eine Anzahl von Artikeln zu bedeutend billigeren Preisen abgegeben wurde als in anderen Geschäften.
Abschließend ist zu sagen, daß zunächst die allgemeine Boykottierung jüdischer Geschäfte ausgeschlossen erscheint. Wenn sie erfolgt, so wird es sich nur um Einzelfälle handeln.
Emigranten [...]
Palästina
In Palästina wenden sich in erster Linie die eingeborenen Araber, außerdem aber auch die dort ansässigen Europäer, vor allem die Engländer, die in den kapitalkräftigen Juden eine starke Konkurrenz sehen, gegen die Invasion jüdischer Flüchtlinge. Die Versuche der jüdischen Komitees, die Einwanderungsquote für Palästina ganz auszuschalten oder wenigstens erheblich zu erweitern, sind an dem Widerstand der englischen Regierung gescheitert. Die Eingeborenen haben sich in der schärfsten Form durch die Presse und durch Demonstrationen, ja durch Plünderungen der jüdischen Geschäfte usw. gegen die Einwanderung gewehrt.