November 1944
Am 20. November verließ Adolf Hitler endgültig sein langjähriges Hauptquartier „Wolfsschanze“ bei Rastenburg in Ostpreußen und zog in den 1943 erbauten „Führerbunker“ im Garten der Reichskanzlei in Berlin um. Fünf Tage später forderte er in einem Durchhaltebefehl von den deutschen Soldaten „todesmutige Tapferkeit“ auch in ausweglosen Situationen ein. Mit seinem Appell, „bis zum letzten Mann“ zu kämpfen, reagierte er insbesondere auf das Phänomen, dass sich immer mehr Wehrmachtskommandanten angesichts der drückenden Überlegenheit des Gegners zur Kapitulation entschlossen. Wenn ein Truppführer künftig glaubte, den Kampf aufgeben zu müssen, so hatte er gemäß Hitlers Durchhaltebefehl das Kommando zuvor an einen geeigneten und vor allem gewillten Nachfolger – gleichgültig welchen Dienstgrades - zu übergeben.
Im November setzten die Westalliierten ihre im Vormonat begonnene Luftoffensive gegen das Ruhrgebiet fort. Am 4. des Monats erlitt Bochum den schwersten von insgesamt 150 Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg, dem 1.300 Menschen zum Opfer fielen. Am gleichen Tag warf die US-Luftwaffe mehr als 1.000 Tonnen Bomben auf Treibstofflager in Hamburg. Am 6. November war Gelsenkirchen das Ziel britischer Bomber, während es einen Tag später im Süden die beiden Verkehrsknotenzonen Ludwigshafen - Aschaffenburg und Nürnberg – Treuchtlingen – München - Rosenheim traf. Im Laufe des Monats folgten noch Angriffe auf Wanne-Eickel (9. und 19.11.), Dortmund (12., 15. und 29.11.), Essen (29.11.) und Duisburg (30.11.). Am 26. November warfen US-Bomberverbände tausende von Bomben auf die Eisenbahnanlagen von Paderborn, Bielefeld, Hamm, Osnabrück, Hannover und Gütersloh. Außerdem wurde die Ölraffinerie in Misburg bei Hannover bombardiert.
Auch den Vormarsch ihrer Bodentruppen im Westen des Reichsgebiets unterstützten die Westalliierten aus der Luft, wobei es am 16. November 1944 in ganz besonderem Ausmaß die Städte Düren und Jülich traf. Beim einzigen sogenannten „Großangriff“ auf beide Orte während des Zweiten Weltkrieges wurden 2.703 Tonnen Bombenlast über Düren, weitere 1.917 Tonnen über Jülich abgeladen. Dabei handelte es sich um einen, wenn nicht den schwersten taktischen Luftangriff im Zweiten Weltkrieg, bei dem im Zuge einer Luft-Boden-Operation mit insgesamt 9.300 Tonnen an Bomben die (vielleicht) höchste Tonnage an einem einzigen Tag auf ein Gebiet (nämlich das von Düren, Jülich, Eschweiler und Heinsberg) abgeworfen wurden. Die Städte Düren und Jülich waren anschließend jeweils zu nahezu 100% zerstört und damit praktisch von der Landkarte verschwunden, rund 4.000 Menschen ums Leben gekommen.
Angesichts solcher Zerstörungsgewalt dürfte sich bei den meisten Deutschen auch die lang geschürte und gehegte Hoffnung in Grenzen gehalten haben, als Propagandaminister Goebbels am 8. November erstmals offiziell über den Einsatz der „Wunderwaffe“ „V 2“ berichtete, die seit dem 8. September abgeschossen wurde. Bis zum 20. November waren insgesamt 210 dieser Fernraketen auf Großbritannien niedergegangen, 96 davon auf London und hatten 456 Menschen das Leben gekostet.
Statt der üblichen Erinnerungsfeierlichkeiten zum Jahrestag des Münchner Putsches vom 9. November 1923 ließ Hitler am 12. des Monats lediglich durch Heinrich Himmler eine verspätete Proklamation verlesen, in der er die vollständige Eingliederung der Wehrmacht in den Nationalsozialismus verkündete. Es gehe darum, so hieß es in dem Papier, „eine vollkommene Einheit der Auffassungen und des Willens von Partei, Volk, Staat und Wehrmacht herbeizuführen“.
Es drohte allerdings eine hungrige Einheit zu werden, denn aus einer Verlautbarung des Reichsernährungsstandes ging am 16. November hervor, dass die Lebensmittel im Reichsgebiet aufgrund des völlig überlasteten Transportsystems nicht mehr gleichmäßig verteilt werden könnten. Aber in Berlin verkündete Propagandaminister Goebbels auch am 25. November weiter unermüdlich: „Der Wille des deutschen Volkes, auszuhalten und zu kämpfen, bis es den Ansturm seiner Feinde endgültig abgeschlagen hat, verbindet sich mit seiner wachsenden militärischen Kraft zur Gestaltung einer für den Feind völlig veränderten Situation.“
Und was – wenn auch in weiten Teilen nicht gemäß des Willens, aber doch im Namen des deutschen Volkes – in den vergangenen Jahren geschehen war, wurde immer deutlicher: Am 1. November wurde erstmalig der polnische Dokumentarfilm „Majdanek“ über das gleichnamige deutsche Vernichtungslager bei Lublin öffentlich vorgeführt. Der vom Filmstudio der polnischen Armee produzierte Film rief in aller Welt tiefste Bestürzung hervor.