Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
In diesem Monat änderte sich das Tätigkeitsfeld der Reichsvereinigung der Juden deutlich. Hatte sie sich bis zum Emigrationsverbot im Herbst 1941 intensiv mit der Auswanderung befasst und war danach in die administrative Abwicklung der Deportationen einbezogen worden, traten seit dem Frühjahr 1943 die Bereiche Gesundheit und Fürsorge für die immer weniger Zurückbleibenden in den Vordergrund ihrer Tätigkeit.
Mitte April wurde ein von Reichsführer SS Heinrich Himmler für Hitler in Auftrag gegebener statistischer Bericht über „Die Endlösung der europäischen Judenfrage“ fertiggestellt. Demnach waren laut Bilanz seines Mitarbeiters Richard Korherr im Rahmen der bis zum Jahresende 1942 durchgeführten Aktionen rund 4,5 Millionen Juden vertrieben oder ermordet worden.
Am 8. April wurde der ohne schon stark reglementierte Briefwechsel von und nach Theresienstadt noch weiter eingeschränkt. Nunmehr müssen sämtliche Briefe dorthin über die Reichsvereinigung der Juden geleitet werden. Außerdem wurde sämtliche Geschenksendungen nach Theresienstadt verboten.
Durch eine Anordnung des Reichssicherheitshauptamtes vom 28. April erhöhte sich die Bedrohungslage aller noch im kriegswichtigen Arbeitseinsatz tätigen Jüdinnen und Juden erheblich. Sie sollten nämlich aus ihrem Beschäftigungsverhältnis herausgenommen und gemeldet werden, soweit sie für eine Deportation „nach dem Osten“ oder nach Theresienstadt in Frage kommen. Um Fluchtversuche zu unterbinden sollte dieser Personenkreis geschlossen interniert werden. Diejenigen, die für diese Maßnahme nicht in Frage kamen, sollten im geschlossenen, jederzeit widerrufbaren Arbeitseinsatz untergenbracht werden.
Zugleich sollte die Öffentlichkeit nun offenbar ständig über die Behandlung der jüdischen Bevölkerung auf dem Laufenden gehalten werden. Jedenfalls wies der Reichspressechef die deutsche Presse am folgenden Tag an, die „Judenfrage fortlaufend und ohne Pause“ zu behandeln.
Am 19. April war es im Warschauer Getto zu Unruhen gekommen. Zuvor waren rund 300.000 von dessen Bewohnerinnen und Bewohnern in das Vernichtungslager Treblinka deportiert worden. Als deutsche Polizeieinheiten dann am 19. April 1943 das Getto betraten, um die letzten dort verbliebenen rund 60.000 Jüdinnen und Juden zu deportieren, leisten diese bewaffneten Widerstand, um ihren Weg in den praktisch sicheren Tod zu verhindern. Die Kämpfe dauerten bis zum 16. Mai, ehe der Aufstand von SS - und Polizeiverbänden niedergeschlagen wurde. Nachrichten hierüber gelangten auch nach Deutschland, ohne hier jedoch öffentliche Reaktionen hervorzurufen.
Im April trafen Vertreter Großbritanniens und der USA zusammen, um über eine Soforthilfe für Flüchtlinge zu beraten. Die Ergebnisse waren - wie schon so oft in der Vergangenheit -enttäuschend, und die Gespräche blieben allgemein und unverbindlich. Statt nach konkreten Lösungen und Hilfen für die drängenden Probleme zu suchen, einigte man sich stillschweigend darauf, die jeweiligen nationalen Interessen des anderen zu wahren. Für die Briten bedeutete das die Ablehnung von jeder Einmischung in ihre Palästinapolitik, für die US-Amerikaner ein Abblocken jeglicher Diskussion über ihre strenge Einwanderungspolitik. Das Grundprinzip beider lautete, dass man den europäischen Juden am besten mit einem schnellstmöglichen Gewinn des Krieges helfen würde. Angesichts solcher Untätigkeit blieben die internationalen jüdischen Hilfsorganisationen und die Jewish Agency for Palestine weiterhin die größte Hoffnung der verfolgten Juden.