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Chronik und Quellen
1942
Juni 1942

Bericht aus Erfurt

Am 3. Juni 1942 berichtet die SD-Hauptaußenstelle Erfurt zum Thema „Vermögen evakuierter Juden“:

Nach der Evakuierung einer größeren Anzahl von Juden ist die Frage akut geworden, wer über ihr zurückgelassenes Vermögen und ihre Wohnungen zu verfügen hat. Besonders werden sämtliche in Frage kommenden Behörden - Geheime Staatspolizei , Finanzamt, Städtisches Wohnungsamt, Regierung - wegen der weiteren Verwendung der freigewordenen Judenwohnungen von vielen Interessenten ständig angegangen. Es wäre im Interesse der Behörden und der Volksgenossen angebracht, die Verfügungsberechtigung klarzustellen und die Öffentlichkeit darüber aufzuklären. Nach dem Gesetz über die Mietverhältnisse von Juden vom 30. April 1939 dürfen Juden freigewordene Wohnungen in ihren eigenen Grundstücken nur mit Zustimmung der Gemeinde vermieten und diese Beschränkung besteht nach dem Eigentumsübergang an dem Grundstück auf einen Nichtjuden nicht weiter. Es fragt sich nun, ob das Reich, welchem das Vermögen der evakuierten Juden verfallen ist, bezüglich der Vermietung von Wohnungen in bisher jüdischen Grundstücken ebenfalls an die Zustimmung der Gemeinden gebunden ist. Zweifelhaft ist weiter, ob sich die Verwaltung und Verwertung dieser bisher jüdischen Vermögen nach dem Erlaß des Führers über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden vom 29. Mai 1941 und dem Durchführungserlaß des RMdI und des RFM vom 9.4.42 (MBliV Seite 687) zu richten hat, obwohl in diesem Falle das Vermögen nicht im engeren Sinne eingezogen sondern auf Grund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz2 dem Reich ohne besonderen Verwaltungsakt mit der Abschiebung der Juden über die Reichsgrenze verfallen ist. Wenn, wie überwiegend angenommen wird, diese Frage bejaht wird, so ist darauf hinzuweisen, daß die Behandlung der dem Reich verfallenen Vermögensstücke nach dem Erlaß vom 9.4.42, wenigstens soweit Wohnungsgrundstücke in Frage kommen, recht schwerfällig ist. Es wird eine geraume Zeit vergehen, bis die Verzeichnisse nach diesem Erlaß aufgestellt und die Prüfung welche Vermögensstücke etwa gebietlichen Selbstverwaltungskörperschaften zu übertragen sind, durchgeführt ist. Während dieser Zeit die betroffenen Wohngrundstücke leerstehen zu lassen, dürfte bei der jetzigen Wohnungsnot recht mißlich sein. Hier ist weiterhin sowohl beim Städtischen Wohnungsamt wie auch bei anderen Behörden die Vermutung aufgekommen, daß die Reichsfinanzverwaltung ihre Verfügungsmacht über die fraglichen Wohngrundstücke dazu ausnutzen wird, die Wohnungen vorwiegend ihren eigenen Bediensteten zu vermieten. Dies hat bereits zu Unzufriedenheit bei anderen, seit längerer Zeit wohnungslosen Beamten geführt. Bekannt geworden ist sogar, daß ein solches Judengrundstück dazu benutzt werden soll, für einen demnächst in Ruhestand tretenden Oberfinanzpräsidenten, der seinen Ruhestand in Erfurt dann verbringen will, eine Wohnung in Erfurt bereitzustellen, was sonst bei der hiesigen Wohnungsnot auf Jahre hinaus unmöglich wäre. Es würde zur Beruhigung beitragen, wenn der Reichsfinanzminister den Finanzbehörden nähere Anweisungen über die Verwaltung und Verwertung der jüdischen Vermögen gäbe und hierbei für die Grundstücke besonders zum Ausdruck brächte, daß ihre Vermietung ohne Rücksicht auf die Berufszugehörigkeit des Wohnungsbewerbers nach rein objektiven Gesichtspunkten, wie Dauer der Wohnungslosigkeit usw., zu erfolgen hat.

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