Bericht über Pogrom in Berlin und Nürnberg
Nach seiner Auswanderung nach New Yorb berichtet Ende Dezember 1938 berichtet Kurt Wachtel Ende 1938 über die Verwüstung und Plünderung von Geschäften in Berlin, das Schicksal der Thorarollen der Berliner Synagogen und die Kündigung von Wohnungen in Berlin; er beschreibt ferner die Verwüstung der Wohnung seiner Eltern in Nürnberg und deren Misshandlung sowie die Misshandlung anderer Nürnberger:
Berichterstatter erzählt, dass am Morgen des 10. November alle Fensterscheiben und Schaufenster in den Geschäften eingeschlagen waren. Im Laufe des Tages wurden die Geschäfte vollkommen demoliert und beraubt. Die Schutzleute standen dabei und haben nicht eingegriffen. Schuljugend, Jugendliche und SA in Mänteln waren mit dem Zerstörungswerk beschäftigt. In einer Berliner Zeitung stand, dass nicht ein Stück weggenommen worden ist, das Volk hätte sich geekelt, diesen jüdischen Ramsch anzufassen. In zwei oder drei Synagogen hatten die Synagogendiener die Thorarollen gerettet. Da sie aber schon entweiht waren, sind sie in Weißensee beerdigt worden. Die Thorarollen der Synagogen Fasanenstraße und Prinzenstraße wurden am Wittenbergplatz verbrannt.
In der Provinz, besonders aber in Nürnberg war es am schlimmsten. Berichterstatter erzählt, was seine Eltern in Nürnberg erlebt haben. Nachts um ½4 Uhr haben die Horden mit der Axt die Haustür eingeschlagen, sind die Treppe heraufgestürzt und haben mit der Axt die Korridortür eingeschlagen. Die Eltern - Vater 71 Jahre, schwer krank, Mutter 60 Jahre - sind mit anderen im Hause wohnenden Juden in Nachtgewändern die Treppe zum Boden heraufgelaufen, der aber verschlossen war. In den Wohnungen wurde alles kurz und klein geschlagen, Teppiche und Bilder zerschnitten, nichts blieb heil. Dann liefen die Leute die Bodentreppe herauf, schlugen den Vater blutig, gaben der Mutter einen Tritt in den Leib, sodass sie eine innere Verletzung davongetragen hat, und warfen sie dann die Treppe herunter. Beide Eltern, die sofort aus der Wohnung sollten, dann aber acht Tage Zeit bekamen, sind heute, nach sechs Wochen, noch verwirrt und haben eine direkte Angstpsychose.
Leute wurden zu Tode geprügelt, Frauen im Nachthemd und bloßen Füßen zur Polizei getrieben, dann wieder nach Hause geschickt. Einem blinden Manne von Ende 50 wurde eine 15 cm lange Schädelwunde beigebracht.
Streicher soll gesagt haben, dass bis zum Parteitag 1939 alle Juden aus Nürnberg, 3000 Menschen, heraus sein müssen. Berlin als Sitz der Regierung, München als Stadt der Bewegung und Nürnberg, Stadt der Reichsparteitage, müssen zuerst von Juden gereinigt sein. In Berlin sollten noch 140000 Juden sein. Die jüdischen Wohnungen in Berlin sollen vielfach gekündigt sein.
Berichterstatter: Kurt Wachtel, Berlin, Hohenzollerndamm, jetzt New York