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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Vereinzelte Hilfe von NS-Seite

Vermutlich der Frankfurter Rabbiner Josef Horovitz berichtet am 24. November 1938 aus Amsterdam am Beispiel von Frankfurt am Main, Nürnberg und Hamburg über Schwierigkeiten bei der Ausreise aus Deutschland, die Möglichkeit diplomatischen Schutzes für ausländische Staatsangehörige und Fälle von Hilfe von SS-Leuten und Parteibeamten für verfolgte Juden:

Amsterdam, 24. November 1938

Über die allgemeine Taktik bei den in Deutschland erfolgten Verhaftungen ist Folgendes bekannt:

Als gesetzlicher Hintergrund für die Verbringung nach den Konzentrationslagern wird formal das so genannte Arbeitseinsatzgesetz benutzt, wonach männliche deutsche Staatsangehörige zwischen 18 und 60 Jahren nach Verfügung der Behörden zu bestimmten Arbeiten befohlen werden können.

Es ist deshalb in allen Fällen, wo ein ausländischer Konsul für einen ausländischen Staatsangehörigen intervenierte, gelungen, den Betreffenden, auf den besagtes Gesetz nicht anwendbar ist, zu befreien. Es ist bekannt, dass sowohl tschechoslo-wakischeln] wie auch polnische [n] Staatsangehörige [n] auf diese Weise Schutz ihrer Konsulate zuteil wurde. In einzelnen Fällen, wo Ausländer verhaftet wurden, bezeichnete man das als Ausweisungshaft, die jedoch ebenfalls vom Konsul ange-fochten werden kann, wenn eine ausreichende Begründung von Seiten der deutschen Behörden fehlt.

Es sind Fälle bekannt geworden, wo SS-Leute einzelnen kränklichen Personen dazu verholfen haben, sich als 60-jährig zu bezeichnen und entlassen zu werden. Ferner ist ein Fall bekannt, wo ein hochgestellter Parteibeamter einen Juden in seiner Privatwohnung bisher verborgen hält, während seine Frau und Kinder inzwischen schon auswandern konnten.

Aus Nürnberg, Frankfurt am Main und Hamburg wird übereinstimmend berichtet, dass ab Donnerstag, dem 10. November, den Juden die Abreise per Bahn unmöglich gemacht wurde, da am Bahnhof eine Kontrolle erfolgte und nur Juden ausländischer Staatsangehörigkeit abreisen konnten, während deutsche Staatsangehörige verhaftet wurden. In Hamburg erfolgten solche Verhaftungen auch auf Reisebüros. In Hamburg wurde die Ausreisesperre am Montag, dem 14. November, wieder aufgehoben.

Ein Bericht vom Mittwoch, dem 16. November, aus Frankfurt am Main besagt, dass dort strenge Straßenkontrollen erfolgen und Leute ohne Parteiabzeichen sich auszuweisen haben. So wurde ein christlicher Holländer während eines Tages allein achtmal unterwegs angehalten.

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