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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Berichte aus Ebermannstadt

Am 2. Dezember 1938 erstattet das Bezirksamt Ebermannstadt folgende Monatsbericht für November:

Allgemeine Übersicht über die innerpolitische Entwicklung

Die wichtigsten Gesprächsstoffe sind auch heute noch die Vergeltungsmaßnahmen gegen die Juden und die Schweinefleischknappheit. [...]

Rein stimmungsmäßig wird die erstere Angelegenheit von dem überwiegenden Teil der Bevölkerung in folgender Weise beurteilt: Die Auferlegung der Geldbuße war vollauf am Platze und es wäre viel besser gewesen, diese Summe im Zusammenhang mit den nachträglich erlassenen ebenfalls begrüßenswerten Verordnungen über die Ausschaltung der Juden aus dem Erwerbsleben usw. noch zu erhöhen als Sachwerte vernichten zu lassen. Daher werden die Zerstörungen und Plünderungen abfällig beurteilt und zwar nicht bloß aus diesem Grunde, sondern auch deswegen, weil dadurch das Rechtsbewußtsein ins Schwanken geraten ist. Eine grundsätzlich derart eingestellte Stimmung gibt dann einen geeigneten Nährboden ab für Gerüchte, daß die Geistlichen und das Kirchenvermögen die nächsten sein werden, denen es ähnlich ergehen wird, wie den Juden und ihrem Besitz, und für eine Kritik, daß dieses Vorgehen gegen die Juden außenpolitisch sehr ungeschickt gewesen sei, weil dadurch die erst kürzlich gebannte Kriegsgefahr erneut heraufbeschworen wurde und wir aus einer mühsamen bereits errungenen günstigen Stellung zu einer erfolgreichen Lösung der Kolonialfrage wieder zurückgeschlagen worden sein.

Vom Standpunkt der Polizeibeamten aus habe ich dazu noch folgendes beizufügen: Vergeltungsmaßnahmen gegen einzelne Volksgenossen, die sich an dem Volke versündigen, darf das Volk nur durch die hiezu berufenen Organe des Staates ausführen lassen. [...]

Juden

Für den Fall, daß der Herr Regierungspräsident über die Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den Juden durch die Geheime Staatspolizei noch nicht eingehend unterrichtet worden sein sollte, gebe ich nachstehend eine kurze Zusammenstellung dieser Vorgänge im Bezirk.

Die seit längerer Zeit zu Kulthandlungen nicht mehr benützten Synagogen in Hagenbach und Wannbach wurden zerstört. In den gleichen Orten und außerdem in Aufseß wurden insgesamt 6 jüdische Wohnungen erheblich beschädigt. Der Gesamtschaden wird auf rund 3.000 RM geschätzt. Wesentlich größer ist der Schaden der im Schloß zu Pretzfeld angerichtet worden ist - er dürfte rund 20.000 RM betragen -, das noch dazu einem Engländer, dem Juden Max Wimpoler, und dem evangelischen Judenmischling , Diplomingenieur Fritz Herrmann in London gehört. Hier wurden zahlreiche Kunstgegenstände, auch wertvolle alte Öfen vernichtet. Auch der Weinkeller wurde geplündert. Andere eigennützige Bereicherungen kamen in der Form vor, daß Schuldner ihre jüdischen Gläubiger unter körperlicher Einwirkung zwangen, vorgeschriebene Quittungen über die angebliche Bezahlung der Schulden zu unterzeichnen. Ja sogar Grundstücke mit Gebäuden wurden auf diese Art und Weise unentgeltlich übereignet.

Solche Überschreitungen der gesteckten Grenzen haben den Zweck und den Wert der Vergeltungsmaßnahmen geradezu in das Gegenteil verkehrt.

Sonstiges [...]

Aufgrund der Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes hat der Beauftragte für den Vierjahresplan sowohl die Bezahlung einer Geldbuße durch die Juden, wie auch die Wiederherstellung des Straßenbildes angeordnet.3 Wenn gegen eine derartige Ausdehnung der Befugnisse und Zuständigkeiten des Beauftragten für den Vierjahresplan keine rechtlichen Bedenken bestanden haben, dann bitte ich doch endlich auch einmal der Seuche der Trunksucht auf der gleichen gesetzlichen Grundlage zu Leibe zu rücken [...].

 

Bereits am 27. November 1938 hatte die Gendarmerie Ebermannstadt gemeldet:

Innenpolitische Lage

Gut. Von der Aktion gegen die Juden wurden im hies. Dienstbezirk 4 Familien betroffen. Der dabei angerichtete Schaden dürfte sich auf etwa 20.000 RM belaufen. Von dem größten Teil der Bevölkerung wurde dieses Vorgehen als die einzig richtige Antwort auf den Pariser Mord bezeichnet. Der andere Teil war wohl auch nicht gegen die ergriffenen Maßnahmen selbst, sondern mehr gegen das Demolieren. Dieser Teil steht auf dem Standpunkt, man hätte die Sachen nicht demolieren, sondern wegnehmen und einer sozialen Einrichtung zukommen lassen sollen. Die männlichen Juden (Wollner [von] Wannbach, alleinstehend, Seyfferheld und Mai in Hagenbach) sind seit der Aktion inhaftiert. Die Frauen von Seyfferheld und Mai befinden sich seit der Aktion in Nürnberg. Ob und wann sie wieder zurückkommen, ist nicht bekannt. Der Besitzer des Schlosses in Pretzfeld befindet sich im Ausland.

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