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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht aus Bad Neustadt/Saale

Am 28. November 1938 berichtet die Gendarmerie Neustadt/Saale Folgendes für den Monat November:

Die Ermordung des deutschen Gesandtschaftsrates vom Rath in Paris durch den jugendlichen Volljuden Grünspan [sic] hat allenthalben große Entrüstung bei der Bevölkerung hervorgerufen. In der Nacht zum 10.11.1938 kam es in der hiesigen Stadt zu einer Demonstration gegen die hier wohnhaften Juden. Es wurden die Wohnungen der Juden durch die Demonstranten aufgesucht und vor deren Wohnungen demonstriert. Die Menge verlangte die Herausholung der Juden. Zu Tätlichkeiten, Plünderungen und Zertrümmerung von Sachwerten kam es jedoch nicht. Es gab keinerlei zerstörte Läden, Wohnungen usw. Auch die Synagoge blieb unbehelligt. In der hiesigen Stadt mußten in fraglicher Nacht 10 Juden zu ihrem persönlichen Schutze in Schutzhaft genommen und in das A[mts]G[erichts]Gefängnis dahier eingeliefert werden. Kurz nach der Judenaktion setzte ein Verkauf jüd. Anwesen und Geschäfte ein. So konnten die meisten jüd. Anwesen in arische Hände gebracht werden. Ein großer Teil der Juden befaßt sich zur Zeit mit der Auswanderung nach Nordamerika. In kurzer Zeit dürfte mit einer größeren Auswanderung zu rechnen sein. Von den in Schutzhaft befindlichen Personen wurden aus der Stadt Bad Neustadt a/S. der Jude Norbert Ottensoser in das Konzentrationslager überführt. Die übrigen Juden wurden nach und nach wieder aus der Schutzhaft entlassen. Während der Demonstration kam es zu Tätlichkeiten gegen die Juden nicht. Die jüd. Geschäfte sind jetzt alle geschlossen und findet ein Verkauf von Waren nicht mehr statt.

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