Bericht aus Schwalenberg
Am 16. November berichtet die Gendarmerie Schwalenberg Folgendes über die „Judenaktion“:
Für den Gendarmerie-Postenbereich Schwalenberg wird anläßlich der Aktion gegen die Juden am 10.11.1938 nachstehendes berichtet:
1) Die Synagoge in Schwalenberg ist nicht beschädigt worden.
2) Das Geschäftshaus der Firma Bachrach, Schwalenberg Mittelstr. Nr. 159, ist zum Teil zerstört worden. Es handelt sich um ein Manufakturwarengeschäft. Im Geschäftshause sind 5 große Schaufenster eingeschlagen worden. Der Ladeninhalt aus den Fächern und Regalen ist herausgerissen und auf den Fußboden geworfen. Die Ladentische sind umgeworfen, Spiegel und Fensterscheiben des Ladens nach der Hofseite sind eingeschlagen. Außerdem sind noch einige Möbelstücke im Büroraum beschädigt, die ich im einzelnen nicht aufzählen kann.
Nach Rücksprache mit dem Bürgermeister wird der angerichtete Schaden im Geschäftshause auf etwa 1.200 bis 1.500 RM geschätzt. Eine genaue Angabe des Schadens kann nicht erfolgen, weil der Inhaber mit seinen Angehörigen von Schwalenberg abwesend und das Haus verschlossen und polizeilich versiegelt ist.
Geschäftsinhaber ist der Jude Gustav Bachrach, geb. am 19.7.1875 in Schwalenberg, wohnhaft daselbst, Mittelstr. Nr. 159.
Im Geschäftsbetriebe und Haushalt waren nachstehende Personen tätig.
a) Jude Heinz Bachrach, geb. am 29.9.1905 in Schwalenberg,
b) Jude Willi Harf, geb. am 4.6.1917 in Sarstedt. (ledig)
c) Jüdin Betty Rosenthal, geb. am 7.7.1884 in Schwerte. (ledig)
3) Im Hause Bachrach waren keine arischen Personen tätig.
4) Da der Geschäftsinhaber abwesend ist, ruht der Geschäftsbetrieb vollständig. Die Ortspolizeibehörde wartet weitere Anordnungen ab. Das Haus ist geschlossen und polizeilich versiegelt. Eine notdürftige Aufräumung des Ladeninhalts ist auf Anordnung der Ortspolizeibehörde vorgenommen worden.
5) Privathäuser sind weder abgebrannt, zerstört noch beschädigt worden.
6) Die Wohnung des Juden Bachrach befindet sich im Geschäftshause im ersten Stock und ist zum Teil beschädigt worden. Desgleichen die Einrichtung. In den Räumen sind die Fenster, Bilder, Spiegel, Möbel und Geschirr (Küchengeräte) zertrümmert. Bücher- und Kleiderschränke sind zum Teil gewaltsam geöffnet und der Inhalt auf den Fußböden geworfen. Die Möbel im Wohn- und Speisezimmer sind nicht beschädigt worden. Der Schaden wird auf etwa 200 RM geschätzt.
7) Fehlanzeige. Personen sind nicht ums Leben gekommen.
8) Fehlanzeige. (sind nicht erfolgt.)
9) Fehlanzeige. Waffen wurden im Hause nicht gefunden.
10) Fehlanzeige. Archivmaterial ist bisher nicht sichergestellt.
11) Sichergestellt sind von der Ortspolizeibehörde nur die laufenden Geschäftsbücher und Klatten. Außerdem 2 Herrenuhren, darunter eine goldene, die im Schlafzimmer auf dem Fußboden lagen und 2 Damenuhren, die ebenfalls im Schlafzimmer lagen. Das Bargeld im Geldschrank ist nicht sichergestellt. Es handelt sich nur um einen geringen Betrag. Bankguthaben sind hier nicht bekannt.
Die Rückgabe der sichergestellten Bücher und Uhren ist bisher nicht erfolgt, da der Geschäftsinhaber und seine Angehörigen nicht anwesend sind.
12) Das beschädigte Geschäfts- und Wohnhaus ist mit 19.000 RM. bei der Lippischen Landesbrandversicherungsanstalt versichert. Die Versicherung der Wohnungseinrichtung und Ladeneinrichtung konnte bisher nicht festgestellt werden. Ob der Betroffene bereits Versicherungsansprüche bei seiner Gesellschaft gestellt hat, ist hier nicht bekannt, da er abwesend ist.
13) Familienangehörige und Angestellte des Juden sind hier nicht anwesend.
14) Die Aktion ist von der hiesigen Bevölkerung in Ruhe aufgenommen worden. Von abfälligen Äußerungen gegen die Aktion ist hier nichts bekannt geworden.
Im allgemeinen war die hiesige Bevölkerung schon seit längerer Zeit kritisch darüber eingestellt, daß das jüdische Geschäft von B. immer noch fortgesetzt wurde. Örtliche nachteilige Auswirkungen sind nicht zu befürchten.
Die hiesige Bevölkerung würde es jedoch lebhaft begrüßen, wenn das Geschäft alsbald von einer arischen Person fortgeführt würde, zumal es in hiesiger Gegend das einzige größere Manufakturwarengeschäft ist.