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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht aus Neuhaus

Am 17. November 1938 berichtet der Bürgermeister des Amts Neuhaus Folgendes über die „Judenaktion“:

Zu 1) Fehlanzeige.

Zu 2) Wirtin Witwe Karoline Grünewald, geb. am 1.8.1886 in Niedermarsberg, wohnhaft in Neuhaus, Sertürnerstr. 8.

Die Einrichtung in den gewerblichen Räumen (Schanklokal) wurde zum größten Teil zertrümmert. (1 Büffet mit Bieraufsatz, 1 Radiogerät, 1 Zimmerofen, 5 Lampen, 1 Dzd. Sektgläser, 1 Dzd. Weingläser, 1 Dzd. Bovlegläser, 3 Dzd. Schnapsgläser, 40 Biergläser, 2 Stühle, etwa 20 RM Tabakwaren, Flaschen mit Getränke, 4 komplette Fenster mit Rahmen, Gardinen für 4 Fenster.) Ein zweites Radiogerät wurde durch die Gestapo sichergestellt.

Zu 3) Fehlanzeige.

Zu 4) Die Witwe Grünewald will den Wirtschaftsbetrieb sofort zur Abmeldung bringen.

Zu 5) Der Wirtschaftsbetrieb befand sich in dem Privathause der Witwe Grünewald. Es wurde nur die Inneneinrichtung sowie 4 Fenster mit Rahmen zerstört (wie zu 2 aufgeführt). Der Schaden beträgt etwa 1.200 RM.

An dem Privathause der Witwe Emilie Rosenthal, geb. am 23.8.1861 in Lügde, Kr. Höxter, wohnhaft in Neuhaus, Paderbornerstraße 23 wurden 8 Fenster zertrümmert. Schaden etwa 60 RM.

Zu 6) Wie zu 2 u. 5.

Zu 7) Fehlanzeige.

Zu 8) Fehlanzeige.

Zu 9) Im Hause Witwe Grünewald: 1 eigenes Seitengewehr. War angeblich Eigentum des verstorbenen Schwagers der Witwe Grünewald, Adolf Grünewald zuletzt in Köln.

Im Hause Witwe Rosenthal: 2 eigene Degen. Angeblich Eigentum des Sohnes Karl Rosenthal wohnhaft in Köln.

Zu 10) Die im Hause Witwe Rosenthal sichergestellten Schriftstücke (Briefe pp) wurden durch die Gestapo, Außendienststelle Paderborn zurückgegeben.

Zu 11) Fehlanzeige.

Zu 12) Besitzung Witwe Grünewald zu 20.000 RM gegen Feuer bei der Westf. Prov.-Feuersozietät in Münster versichert. Ersatzansprüche nicht geltend gemacht.

Besitzung Witwe Rosenthal gegen Brand und Einbruch bei der Allgemeinen Feuerassekuranz Akt. Ges. in Hamburg zu 92.000 RM versichert. Ansprüche nicht geltend gemacht.

Zu 13) Fehlanzeige.

Zu 14) Wie verschieden die Aufnahme der Aktion in der Bevölkerung von Beamten, die doch einige Schulung besitzen, beurteilt wird, mögen die Berichte der beiden von mir befragten Gend.-Hauptwachtmeister aus Neuhaus dartun, die nachstehend im Wortlaut wiedergegeben werden:

1. Bericht: An/ab Neuhaus, den 15./17.11.38 - 419/38 - mit dem Bericht, daß die Aktion gegen die Juden am 10.11.38 von der Bevölkerung meines Dienstbezirkes mit Genugtuung aufgenommen worden ist. Es sind keinerlei abfällige Äußerungen über die Aktion gefallen.

2. Bericht: Die Aufnahme in der Bevölkerung bezgl. der Aktion stößt auf wenig Verständnis [sic], da die Bevölkerung zum Großteil die Juden bemitleidet und sie andererseits politisch zu dumm und noch immer stark mit der Einstellung der ehemaligen Zentrumspartei und sonstigem Parteiklüngel verwachsen ist. Nachteilige Auswirkungen sind nicht zu befürchten. Abfällige Äußerungen irgendwelcher Art sind mir nicht zu Ohren gekommen.

Die tatsächliche Beurteilung, im großen und ganzen betrachtet, ist auf Grund meiner Beobachtungen folgende:

Die Aktion gegen die Juden als solche wird nach der Pariser Mordtat von der Bevölkerung als natürliche Folge empfunden und daher auch verstanden. Nicht gebilligt werden dagegen in weiteren Kreisen Zerstörungen, die nicht nötig gewesen wären und die, so sagt man, letzten Endes wenigstens zum Teil auf Kosten des deutschen Volksvermögens gingen. Diese Meinung geht von der Anschauung aus, daß der jüdische Besitz in Deutschland sich in absehbarer Zeit restlos in deutscher Hand befindet. Mit nachteiligen Auswirkungen auf weitere Sicht rechne ich nicht. Abfällige Bemerkungen sind mir nicht bekannt geworden.

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