Bericht aus Bad Salzuflen
Am 11. November 1938 berichtet die Polizei Bad Salzuflen Folgendes über die „Aktion gegen die Juden“:
Zu 1) Die Synagoge in der Mauerstrasse, hierselbst, ist in der Weise beschädigt worden, daß an Inneneinrichtungen sowie Fenstern, Türen, ferner an der Dachbedeckung und am Mauerwerk Zerstörungen vorgenommen worden sind. Die Fenstervorhänge und Altardecken waren in Brand gesetzt. Bei weiterer Ausdehnung des Feuers bestand Gefahr für die angrenzenden Wohn- und Geschäftshäuser, sodaß das Feuer durch drei Feuerwehrleute gelöscht worden ist, um diese Gefahr abzuwenden. Da loses Mauerwerk an der Vorderfront und das Dach einzustürzen drohten, mußte auch diese Gefahr durch Abbruch beseitigt werden. Die noch stehenden Mauerteile müssen noch eingerissen werden. Der entstandene Schaden muß in der Höhe der Versicherungssumme angenommen werden.
Zu 2) Gewerbliche Räume sind teilweise beschädigt bei den Juden Obermeyer und Hamlet.
Bei Obermeyer sind die in der Langestraße, hiers., gelegenen Büroräume teilweise durch Einschlagen (Einwerfen) der Fensterscheiben, Zerschlagen von Stühlen, Türen sowie einiger Inneneinrichtungen beschädigt worden. Die Höhe des entstandenen Schadens beträgt etwa 250 RM. Personalien des Inhabers: Kaufmann Siegfried Obermeyer, geb. am 22.6.83 zu Bad Salzuflen, wohnhaft hierselbst, Brüderstraße 26.
Bei Hamlet sind die in der I. Etage gelegenen Geschäftsräume (Tuchlager) teilweise durch Einschlagen (Einwerfen) von Fensterscheiben, Zertrümmerung einiger Stühle und Tische sowie einer Tür beschädigt worden. Höhe des Schadens etwa 100 RM. Personalien des Inhabers: Kaufmann Richard Hamlet, geb. am 6.5.91 zu Schötmar, wohnhaft hierselbst, Augustastraße 4.
Zu 3) Arbeiter und Angestellte sind durch die teilweisen Zerstörungen der Gewerbebetriebe hier nicht arbeitslos geworden.
Zu 4) Die hiesigen jüdischen Geschäfte werden durch die Inhaber abgewickelt.
Zu 5) Das Privathaus des Juden Berghausen ist teilweise durch Einschlagen (Einwerfen) von Fensterscheiben beschädigt worden. Höhe des entstandenen Schadens etwa 85 RM. Personalien des Inhabers: Kaufmann David Berghausen, geb. am 1.9.82 zu Frille, wohnhaft hierselbst, Obere Mühlenstraße 5.
Zu 6) Wohnungen sind hier nicht zerstört bzw. beschädigt worden.
Zu 7) Im hiesigen Stadtbezirk sind weder Personen ums Leben gekommen noch verletzt oder mißhandelt worden.
Zu 8) Im hiesigen Stadtbezirk sind keine kriminelle Straftaten bei der Aktion begangen worden.
Zu 9) Waffen sind von den hiesigen Juden nicht abgegeben worden; bei den erfolgten Durchsuchungen wurden keine Waffen vorgefunden.
Zu 10) In der Synagoge wurden Gebetbücher, Schriften auf Pergament und ein Silbertrinkbecher vorgefunden; diese sind sichergestellt und befinden sich bei der Schutzpolizei Bad Salzuflen.
Zu 11) Bargeld, Bankguthaben, Wertgegenstände pp. sind nicht sichergestellt worden.
Zu 12) Die hiesige Synagoge ist mit einem Wert von 6.500 RM bei der Lipp. Brandkasse versichert. Die Einrichtung des Büros, Ladens und Lagers des Obermeyer ist bei der Baseler Versicherungsgesellschaft Dortmund mit 3.000 RM versichert. Hamlet hat das Inventar der Wohnung bei der Londoner Phoenix Feuerversich. Hamburg mit 5.500 RM versichert, das Wohnhaus bei der Lipp. Brandkasse mit 33.000 RM; der genaue Versicherungswert konnte nicht angegeben werden. Berghausen hat das Haus bei der Lipp. Brandkasse mit 7.900 RM, das Inventar mit 5.000 RM versichert. Von den Betroffenen sind Versicherungsansprüche bei den Vers. Gesellschaften noch nicht gestellt worden und werden auch wohl nicht gestellt werden.
Zu 13) Die Familien der festgenommenen hies. Juden (Hamlet, Kornberg) befinden sich z.Zt. noch nicht in einer Notlage. Anträge auf Unterstützung sind hier noch nicht gestellt.
Zu 14) Eine besondere Anteilnahme der Bevölkerung an der Judenaktion ist hier in keiner Weise festgestellt. Die neugierigen Personen nahmen wohl die Zerstörungen an der Synagoge in Augenschein, zu irgendwelchen Menschenansammlungen ist es jedoch nicht gekommen. Irgendwelche abfällige Äußerungen sind sowohl allgemein als auch von einzelnen Personen nicht beobachtet und auch nicht bekannt geworden. Wohl hat man Stimmen gehört, daß mit dieser Aktion den Juden die richtige Antwort gegeben worden sei; jetzt werden wir wohl hier bald keine Juden mehr haben.