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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Pogrom in Sigmaringen

Am 1. Dezember 1938 verfasst der Regierungspräsident Hohenzollerische Lande in Sigmaringen folgenden „Bericht über die Ereignisse, die im hiesigen Bezirk in Verbindung mit den gegen die Juden gerichteten Maßnahmen abgespielt haben“:

Im Kreise Sigmaringen sind gegen die Juden gerichtete Maßnahmen nicht durchgeführt worden. Der Kreis ist bis auf eine jüdische Familie, deren Vorstand [vorübergehend verhaftet war] , inzwischen aber bereits die Grenze nach Holland überschritten hat, judenfrei.

Im Kreise Hechingen haben gegen das Judentum gerichtete Aktionen in der Nacht zum 10.11.1938 stattgefunden, und zwar in den Städten Hechingen und Haigerloch. Die Demonstrationen setzten hier schlagartig gegen 4 Uhr ein.

In Hechingen wurden die Inneneinrichtung, Fenster und Türen der Synagoge zerstört, ferner an 2 jüdischen Wohn- bezw. Geschäftshäusern Schaufenster, Fenster und Fensterläden beschädigt. Brandlegungen haben nicht stattgefunden. Zwischenfälle, insbesondere Mißhandlungen von Juden, sind nicht vorgekommen. Insgesamt wurden 8 männliche Juden verhaftet und von der Geheimen Staatspolizei in das Konzentrationslager Dachau überführt.

In Haigerloch, wo etwa 160 Juden in geschlossener Siedlung wohnen, sind an sämtlichen jüdischen Häusern die Fenster zertrümmert worden, außer an einigen Häusern auch Scheiben an Haustüren und Fensterläden. Der Schulraum im jüdischen Gemeindehaus wurde völlig zerstört, ferner im gleichen Hause die Wohnungseinrichtung des jüdischen Lehrers, der dabei als einziger Jude Verletzungen davontrug, und teilweise die Kücheneinrichtung eines weiteren jüdischen Bewohners. In der Synagoge wurden die Inneneinrichtung und die Fenster und Türen zerstört in dem danebenliegenden jüdischen Badehaus die Badeeinrichtung erheblich beschädigt. Auch in Haigerloch wurde die Synagoge nicht in Brand gesteckt. Eine [für die Nacht zum 13.11.39] geplante nachträgliche Inbrandsetzung wurde [auf Mitteilung] des für Haigerloch zuständigen Kreisleiters Bätzner in Horb [durch das Eingreifen der Gendarmerie] verhindert. In Haigerloch wurden 10 männliche Juden verhaftet und von der Staatspolizei dem Konzentrationslager Dachau zugeführt.

Hiernach sind Personenschäden so gut wie gar nicht zu verzeichnen, die Sachschäden halten sich im Hinblick darauf, daß in der Hauptsache nur Fenster usw. beschädigt wurden, in durchaus mäßigen Grenzen. Nach der Durchführung der Aktion ist alles ruhig geblieben. Weitere Demonstrationen sind nicht vorgekommen.

Die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle in Stuttgart, deren Außendienststelle in Sigmaringen bereits am 10.11.1938 um 4.30 Uhr den Landrat in Hechingen ersucht hat [15 Juden zu verhaften] , hat mich weder von den Aktionen noch von den Verhaftungen in Kenntnis gesetzt. Erst auf mein Ersuchen um Bericht an die Staatspolizeileitstelle Stuttgart vom 12.11.1938 hat mir die Außenstelle Sigmaringen am 14.11.1938 die Namen der Verhafteten mitgeteilt.

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