Menü
Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht aus Speyer

Am 30. November 1938 gibt der Pfälzer Regierungspräsident folgenden Bericht über die „Judenaktionen 9./10.11.1938“ ab:

Nach den hier vorliegenden Berichten verschiedener Bezirkspolizeibehörden und der Gendarmerie haben sich im Verlauf der Judenaktion, die als Protest gegen die Ermordung des Gesandtschaftsrats I. Kl. vom Rath durchgeführt wurde, folgende Ereignisse abgespielt:

1) Im Bezirk Bergzabern:

In Bergzabern wurde die Synagoge ausgeräumt. Sie soll niedergelegt werden. Die Synagoge Albersweiler entging der Zerstörung, weil sie sich seit Oktober 1938 im Eigentum der Gemeinde befindet. In Billigheim und Ingenhofen brannten die Synagogen vollständig aus.

Einige Wohnungen in Bergzabern, Billigheim und Ingenheim wurden demoliert. An den anderen Orten wurden die Wohnungen verschlossen, versiegelt und die Schlüssel auf dem Bürgermeisteramt hinterlegt.

Beschädigungen von Geschäften fanden nur in kleinstem Umfang statt.

Plünderungen sind keine gemeldet.

Bemerkenswert ist die Disziplin des Volkes in Ingenheim gewesen, die Zigarrenfabrik des Juden Fried sollte zerstört werden. Als jedoch die Menge erfuhr, daß die Fabrik in arische Hände übergegangen sei, ließ sie sofort von ihrem Vorhaben ab.

Bei der Demolierung des Judenkaffees Moritz in Ingenheim sprang die Inhaberin Blanka Moritz, 54 Jahre alt, zum Fenster hinaus und brach sich dabei den linken Knöchel. Sie wurde in ärztliche Behandlung gebracht.

Die Verhaftung der Juden vollzog sich gemäß den Anweisungen.

2) Bezirk Frankenthal:

In den Synagogen in Kirchheim a.d. Eck und Grünstadt wurden die Inneneinrichtungen zerstört.

Ferner wurden 16 Judenwohnungen und das Geschäft des Juden Sippermann in Grünstadt zerstört.

Festgenommen wurden 19 Juden.

Plünderungen und Brandlegungen sind nicht erfolgt.

3) Bezirk Germersheim:

Die Synagogen in Rülzheim, Hagenbach und Schwegenheim wurden zerstört. Niedergebrannt wurde die Synagoge in Oberluststadt.

In Rülzheim, wo sehr viele Juden wohnen, wurden 6 Geschäfte und 5 Wohnungen beschädigt. Ebenso wurden in Oberluststadt, Schwegenheim, Kandel, Hagenbach und Leimersheim einige Geschäfte und Wohnungen zerstört. In Schwegenheim sind einige Diebstähle durch Entwenden von Wäschestücken aus den jüdischen Geschäften vorgekommen.

Bei dem Festgenommenen Juden Samson aus Ingenheim wurde ein Säckchen voll außer Kurs gesetzter Silbermünzen und einiger Goldmünzen gefunden. Ein ähnlicher Fund wurde bei dem Juden Haas in Kandel gemacht.

4) Bezirk Kaiserslautern:

Die Synagoge in Niederkirchen brannte ab, die Inneneinrichtung der Synagoge in Hochspeyer wurde zerstört.

Die Volksmenge drang teilweise in Judenwohnungen ein und zerstörte sie mehr oder weniger.

Plünderungen sind keine gemeldet.

5) Bezirk Kirchheimbolanden:

Die Synagoge Kirchheimbolanden wurde abgebrannt, die in Gauersheim und Göllheim zerstört.

Verschiedene Wohnungen und Geschäfte wurden demoliert. Plünderungen sind nicht gemeldet.

6) Bezirk Kusel (einschl. Waldmohr):

In Odenbach und Steinbach brannten die Synagogen ab. Einige Wohnungen und Läden wurden zerstört.

In Glaunmünchweiler konnte durch Einschreiten der Gendarmerie verhindert werden, daß sich Zuschauer, Einrichtungsgegenstände aus Judenwohnungen aneigneten.

7) Bezirk Landau i.d.Pf. (einschl. Stadt Landau i.d.Pf):

Die Inneneinrichtungen de Synagoge in Venningen, Böchingen, Edenkoben, Niederhochstadt und Herxheim wurden zerstört. Die Zerstörung von Wohnungseinrichtungen hat nur ein geringes Ausmaß angenommen.

Die Synagoge in der Stadt Landau i.d.Pf ging in Flammen auf; verschiedene Wohnungseinrichtungen und 1 Geschäft wurden zerstört. Teilweise ist es gelungen wertvolle Einrichtungsgegenstände zu retten.

8) Bezirk Ludwigshafen a. Rhein:

Die Synagoge in Mutterstadt wurde niedergebrannt. In Böhl und Ruchheim wurde die Einrichtung der dortigen Synagoge zerstört.

Einige Geschäfte und Wohnungen wurden von der empörten Menge zerstört. Größere Schäden traten auf in Iggelheim, Neuhofen und Mutterstadt.

Plünderungen sind nicht gemeldet.

9) Bezirk Neustadt a.d.W.:

In Bad Dürkheim wurde die Einrichtung der Synagoge vollständig zerstört.

In den Gemeinden Bad Dürkheim, Deidesheim, Geissheim, Hassloch, Lachen, Wachenheim und Weidenheim a.Sd. wurden verschiedene Wohnungen und Läden von Juden zerstört.

Plünderungen sind nicht gemeldet.

10) Bezirk Pirmasens:

Hier beschränkte sich die Empörung des Volkes auf die Zerstörung von Einrichtungen jüdischer Geschäfte und Wohnungen.

In Dahn versuchten unsaubere Elemente sich Gegenstände aus dem Anwesen Levy anzueignen. Die Plünderungsversuche wurden nach Möglichkeit sofort unterdrückt.

11) Bezirk Rockenhausen:

Die Einrichtung der Synagoge Rockenhausen, Teschenmoschel, Steinbach a.D. und Münchweiler a.d.A. wurde zerstört. Die Synagogen Altenbamberg und Winnweiler brannten ab.

Auch hier wurden an verschiedenen Orten Geschäfte und Wohnungen von Juden zerstört.

In Altenbamberg kam es angeblich zu Plünderungen. Es stellte sich aber heraus, daß der Tatbestand der Plünderung nicht vorlag. Ein Verfahren wurde deshalb nicht eingeleitet.

12) Bezirk Speyer:

Die Synagoge in Schifferstadt wurde abgebrannt. Sonst kam es zu keinen Aktionen.

13) Bezirk Zweibrücken:

In Oberhausen wurden 2 Judenläden zerstört.

14) Stadtkreis Kaiserslautern:

Sämtliche jüdischen Geschäfte und Wohnungen in der Stadt wurden zerstört. Plünderungen sind nicht vorgekommen.

15) Stadtkreis Speyer:

Die Synagoge in Speyer brannte aus. Die jüdischen Geschäfte auf der Hauptstraße wurden demoliert.

16) Stadtkreis Zweibrücken:

Die Synagoge in Zweibrücken brannte nieder.

2 jüdische Geschäfte wurden zerstört.

17) Stadtkreis Neustadt a.d. Weinstr.:

Die Synagoge in Neustadt a.d. Weinstr. wurde niedergebrannt. Das Altersheim ging ebenfalls in Flammen auf. Die Fensterscheiben der Judenwohnungen wurden eingeschlagen.

Sämtliche Aktionen verliefen, abgesehen von Einzelfällen in durchaus disziplinierter Form. Es sind in keiner Weise etwa Mißhandlungen oder sonstige gegen die Person gerichtete Gewalttaten vorgekommen.

Aufgrund der spontanen Willenskundgebungen der Bevölkerung kam es an verschiedenen Stellen auch zu einer Wegschaffung der Juden aus der Pfalz in benachbarte Gebiete. Die Behörden der betroffenen Gebiete haben jedoch veranlaßt, daß der unerwünschte Zuwachs möglichst bald wieder in seine Herkunftsgemeinde abgeschoben wurde.

Die von dem Chef der Ordnungspolizei angeordneten Verhaftungen wurden befehlsgemäß durchgeführt und haben keine Zwischenfälle hervorgerufen.

Juden mit ausländischer Staatsangehörigkeit wurden von der Aktion in 3 Fällen betroffen und zwar die französischen Staatsangehörigen Levy und Metzger in Landau i.d.Pf. sowie Weil in Ingenheim (BA . Bergzabern). Die hierüber angefallenen Verhandlungen werden, da sich das Französische Konsulat in Mainz der Betroffenen angenommen hat, gesondert vorgelegt werden.

Baum wird geladen...