Bericht der NSDAP-Reichsleitung
Am 15. Dezember 1938 gibt das Hauptamt für Kommunalpolitik der NSDAP Reichsleitung folgenden Bericht der Gauämter für Kommunalpolitik Berlin und Franken weiter:
Gauamt für Kommunalpolitik Berlin
Auf Anregung eines Kreisamtes betreffend Unterbringung von Mischlingen in Kindertagesstätten hat man sich mit dem Landes-, Wohlfahrts- und Jugendamt in Verbindung gesetzt. Dieses teilt mit, daß es wohl bedauernswert sei, daß unter Umständen Kinder von Parteigenossen innerhalb von Kindertagesstätten mit Mischlingen zusammen sein müssen. Leider gibt es jedoch keine Möglichkeit, Mischlinge auszuschließen. Die Jugendämter sind nach dem RJWG verpflichtet, für Einrichtungen für die zeitweise Unterbringung von Kindern zu sorgen. Nach den Nürnberger Gesetzen und insbesondere nach §6, Abs. 2 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935 , dürfen ''sonstige Anforderungen an die Reinheit des Blutes, die über §5 hinausgehen, nur mit Zustimmung des Reichsministers des Innern und des Stellvertreters des Führers gestellt werden.''
Auf Grund dieser Rechtslage hat auch für Berlin der Staatskommissar der Reichshauptstadt unter dem 23.3.1936 angeordnet, daß jüdische Kinder in städtische oder arische Privatkindertagesstätten nicht aufgenommen werden sollen: ''Das gleiche gilt von Mischlingen ersten Grades, sofern sie mosaischen Glaubens sind. Die übrigen Mischlinge sind dagegen grundsätzlich aufzunehmen.''
Einen entsprechenden Antrag an den Reichsminister des Innern oder den Stellvertreter des Führers zu stellen, dürfte auch deshalb nicht empfehlenswert sein, weil dadurch die besondere Schaffung von Mischlingskindergärten erforderlich würde, die aber mit Rücksicht auf die geringe Zahl der vorhandenen Mischlinge das über ganze Stadtgebiet außerordentlich unwirtschaftlich sein und große Kosten verursachen würde. Im übrigen haben sich in der Praxis bisher Schwierigkeiten noch nicht ergeben.
Der Oberbürgermeister teilt mit; nach der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14.6.1938 (Reichsgesetzblatt Teil I, S. 627) sind die jüdischen Gewerbebetriebe in ein Verzeichnis aufzunehmen. In der Reichshauptstadt wird dieses Verzeichnis bei den 20 Verwaltungsbezirken aufgestellt und ausgelegt. Das bisher vorhandene Material gibt nicht genügend Aufschluß über das, was die neuen Vorschriften des Reichsinnenministers für das Verzeichnis bei der Stadtverwaltung verlangen. Die Bezirksverwaltungen sind deshalb genötigt, sich an alle Gewerbebetreibenden Berlins zu wenden und jeden Betrieb sorgfältig auf seinen Charakter zu prüfen, besonders auf etwaige Tarnungen jüdischer Betriebe als arische . Jeder Volksgenosse, der sich zu solchen Tarnungen hergibt, wird nach der Verordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 22.4.1938 (Reichsgesetzblatt Teil I, S. 404) schwer bestraft. Das Verzeichnis bei der Stadtverwaltung wird künftig, wie die Verordnung vom 14. Juni 1938 bestimmt, das einzig maßgebliche sein. Beschwerden über die Aufnahme in das Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe sind bei der Staatlichen Landesbehörde für Berlin, dem Stadtpräsidenten der Reichshauptstadt anzubringen. In der Beschwerde muß der arische Charakter des Unternehmens einwandfrei durch Urkunden und anderes Beweismaterial belegt werden. Besonderen Wert legt die Verordnung auf die Mitarbeit der Parteidienststellen. Der Stadtpräsident wird daher stets die Stellungnahme der Gauleitung einholen, bevor über eine Beschwerde entschieden wird. Nach dem Gesetz zum Schutze des Einzelhandels vom 12.5.1933 entscheidet der Stadtpräsident über Beschwerden, wenn ein Bezirksbürgermeister die Zulassung eines Einzelhändlers abgelehnt hat. An dieser Zuständigkeit des Stadtpräsidenten hat die Anordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26.4.1938 (Reichsgesetzblatt Teil I, S. 415) nichts geändert. In Einzelhandelssachen entscheidet der Stadtpräsident ebenso wie die Bezirksbürgermeister nach wie vor selbständig auch dann, wenn das Einzelhandelsschutzgesetz auf einen jüdischen Gewerbebetrieb anzuwenden ist. [...]
Gauamt für Kommunalpolitik Franken
Am 29. Oktober 1938 wurden aus Nürnberg etwa 300 Juden polnischer Staatsangehörigkeit abtransportiert, um sie vor Einführung der polnischen Regelung über die Grenze zu bringen, da nur solche polnische Staatsangehörige, deren Pässe neu ausgestellt sind, wieder nach Polen einreisen können. Die Wohnungsfürsorge hätte anläßlich dieser Aktion, die nach Erreichung eines Übereinkommens mit Polen wieder abgeblasen wurde, eine Anzahl Wohnungen für ihre Wohnungssuchenden freibekommen, was sehr erwünscht gewesen wäre. Alles Nötige war hierfür im Zusammenwirken mit dem Hausbesitzerverein vorbereitet. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß das Wohnungsproblem immer dringender eine Lösung fordert.