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Chronik und Quellen
1938
Oktober 1938

Bericht aus Speyer

Am 9. November 1938 gab der Pfälzer Regierungspräsident seinen Bericht für Oktober 1938 ab:

Juden

Die Synagoge von Albersweiler (Bezirk Bergzabern) wurde von der Gemeinde für 2.000 RM gekauft. Sie wird abgerissen; an ihrer Stelle soll ein HJ -Heim errichtet werden.

Der jüdische Jugendverband in Speyer hat sich mit Wirkung vom 1.10.1938 an aufgelöst, da es ihm an Mitgliedern mangelte.

Nach Bericht des Bezirksamts Bergzabern wurde beobachtet, daß auswandernde Juden, die aus der Ostmark kommen, von den französischen Grenzorganen nach Überschreitung der Grenze sofort wieder zurückgewiesen werden. Sie wurden nachts über die Grenze gebracht.

In Rülzheim (Bezirk Germersheim) wurden in der Nacht vom 29. auf 30.10.1938 fast alle Judenhäuser mit roter Farbe beschriftet, wie: Hängt die Juden, Kriegshetzer, Juden tot. Die Juden beseitigten die Inschriften, erstatteten aber in keinem Fall Meldung. In der Nacht vom 30.9. auf 1.10. wurden mehrere Judenhäuser mit Steinen beworfen und so einige Fensterläden und Fenster zertrümmert. Die Juden erstatteten zwar Meldung bei der Gendarmerie, wollten aber von einer Anzeige nichts wissen. Der Grund zu diesem Vorgehen der Bevölkerung lag in der Beobachtung, daß die Juden in den Tagen der Hochspannung aus ihrem Benehmen erkennen ließen, sie wünschten einen Krieg.

In der Nacht vom 9. auf 10.10. wurde in Leimersheim (Bez. Germersheim) in die Synagoge eingebrochen; dabei wurden verschiedene Gegenstände zerstört.

In Gauersheim (Bezirk Kirchheimbolanden) kam es, wie bereits als besonderes Vorkommnis gemeldet, zu Ausschreitungen gegen Juden. Dabei wurden den Juden die Fenster eingeschlagen, das Hoftor aufgedrückt und in das Haus eingebrochen. Im Innern des Hauses wurden verschiedene Gegenstände beschädigt und angeblich Silberzeug gestohlen. An einem anderen Haus wurde das Dach eines Stalls und des Aborts eingeschlagen.

Der Grund zu all diesen Vorkommnissen liegt ebenfalls wieder in dem Verhalten der Juden in der Spannungszeit.

In der Nacht vom 22. auf 23.10.1938 wurde die Synagoge in Odenbach (Bezirk Kusel) beschädigt. Die Eingangstüre wurde erbrochen und die Beleuchtung zerschlagen.

Auf dem jüdischen Friedhof in Busenberg-Erlenbach (Bezirk Pirmasens) sind in der letzten Zeit etwa 100 Grabsteine umgeworfen und dabei beschädigt worden.

Am 2.10.1938 wurde in Erlenbach (Bezirk Pirmasens) eine Demonstration gegen die Juden veranstaltet. Das Haus des jüdischen Viehhändlers Pfeiffers wurde mit Steinen beworfen. Der Jude behauptet jetzt, daß ihm am 6.10.1938 für etwa 1.000 RM Einrichtungsgegenstände, Wäsche usw. gestohlen worden seien.

Die Täter konnten für alle diese Vorkommnisse, die spontan aus dem Willen der Gesamtbevölkerung entstehen, nicht ermittelt werden. Die Bevölkerung will die Juden aus den Dörfern forthaben und rächt sich auf diese Art für das freche Auftreten der Juden während der Spannungszeit im September. Diese Begründung des Vorgehens der Bevölkerung klingt durch alle Berichte.

Bei der Abschiebungsaktion gegen die polnischen Juden am 27. und 28.10. wurden mittels Sonderzug insgesamt 213 Personen abtransportiert. [...]

 

Die Pfalz als Grenzland [...]

Die judenfeindliche Bewegung im Elsaß ist noch nicht abgeflaut. Ausschreitungen kommen anscheinend nicht mehr vor. Es hat aber ein regelmäßiger Plakatkrieg begonnen. In der Nachtzeit werden judenfeindliche Plakate geklebt und die Judengeschäfte beschmiert. Träger der Bewegung sind die Bauernbewegung unter Bilger und die PSF (de la Rocque).

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