Bericht aus Ansbach
Der Regierungspräsident Ober- und Mittelfranken berichtet am 7. November 1938 für den Monat Oktober aus Ansbach:
Juden
Ich habe bereits im letzten Monatsbericht darauf hingewiesen, daß die ereignisschweren Tage im September wie anderwärts, so auch in Franken für die Juden Anlaß waren, aus ihrer bisherigen hinterhältigen Scheu und Zurückhaltung herauszutreten und ihr wahres Gesicht zu zeigen: sie erhofften den Krieg für Deutschland und freuten sich darob. Nun ist nach dem ''Tage von München'' an die Stelle ihres damaligen ironischen schadenfrohen Lächelns wieder ihr finsteres, kummervolles Gesicht getreten. Das ist dem Volk in Franken unerträglich und wirkte auf die in der Judenfrage längst und gründlich aufgeklärte und stark mitfühlende fränkische Bevölkerung wie eine Provokation, die mehrfach zu offenen Empörung gegen dies Vaterlandsverräter herausforderte.
1) Die Auswanderung der Juden hat im Monat Oktober erheblich zugenommen. 140 Juden verließen den Regierungsbezirk.
Die Juden in der Gemeinde Windsbach, BA Ansbach, werden aus Windsbach bis spätestens 1.3.1938 fortziehen.
2) Die Synagoge in Uffenheim wurde von der Stadtgemeinde Uffenheim erworben; die Synagoge in Colmberg, BA Ansbach, wurde ebenfalls verkauft und wird wegen Baufälligkeit abgebrochen werden. Der gesamte jüdische Grundbesitz in Uffenheim und Leutershausen, BA Ansbach, ist von den Juden veräußert worden.
3) Die Arisierung jüdischer Geschäfte machte weitere Fortschritte. U.a. ging die Schuhfabrik Weiermann in Burgkunstadt, BA Lichtenfels (400 Arbeiter) in arischen Besitz über.
4) Der in Nürnberg wohnhafte Jude Bettmann wurde durch das Amtsgericht Nürnberg wegen Beleidigung zu 1 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt. Bettmann hatte anläßlich einer Gerichtsverhandlung die Rechtssprechung der deutschen Gerichte angezweifelt, den Gerichtshof beleidigt, und sich weiterhin einem deutschen Volksgenossen, der ihn hierwegen zur Rede stellt, in ungebührlicher Weise ausgelassen.
5) Am 22.10.1938 wurden die Inhaber der Fa. ''Enn-Werke'', Nürnberg, die Juden Justin Neu, Dr. Erich Neu und Zacharias Neuburger, sowie der deutschblütige stellvertretende Betriebsführer Hans Hollweck festgenommen. Sie hatten sich durch fingierte Auslandsaufträge bei der Überwachungsstelle für Rohstoffe eine größere Menge Eisen, Messing usw. zuteilen lassen. Wegen Vergehens gegen die VO über den Warenverkehr vom 4.9.1934 und verschiedene Anordnungen zur Durchführung des Vierjahresplanes wurden sie zur Anzeige gebracht; die drei Juden wurden dem Richter überstellt. Hollweck wurde nach Klärung des Sachverhaltes bereits wieder aus der Polizeihaft entlassen. Der Untersuchungsrichter hat gegen die Juden Justin Neu und Dr. Erich Neu Haftbefehl erlassen. Der Jude Zacharias Neuburger wurde der Kriminalpolizeistelle Nürnberg-Fürth überstellt, welche Ermittlungen wegen Verdachtes des betrügerischen Bankrotts einleitete.
Der Betrieb der ''Enn-Werke'' beschäftigt z.Zt. etwa 620 Arbeiter und Angestellte. Zur Fortführung des Betriebes wurde im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen der DAF , dem Reichstreuhänder der Arbeit und der Industrie- und Handelskammer Nürnberg ein kommissarischer Betriebsführer eingesetzt, Arisierungsverhandlungen sind ebenfalls im Gang.
6) Am 20.10.1938 wurde der jüdische Kaufmann Siegfried Cohn in seiner Wohnung in Coburg ermordet aufgefunden. Es handelt sich vermutlich um einen Raubmord. Politische Hintergründe liegen auf keinen Fall vor. Der Täter wurde noch nicht ermittelt. Die Kriminalpolizeistelle München hat für die Ergreifung des Täters eine Belohnung von 600 RM ausgesetzt. Nach Mitteilung des Oberstaatsanwaltes beim Landgericht Coburg hat der Straßburger Sender schon einige Stunden nach der Tat die Ermordung ''in der nationalsozialistischen Hochburg Coburg'' ohne Beifügung weiterer Zusätze bekannt gegeben.
7) Im Zuge der Anordnung des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern wurden im Regierungsbezirk 443 polnische Juden erfaßt und mit zwei Sonderzügen am 28. und 29.10.1938 an die Grenze abgeschoben. Die Juden des zweiten Sonderzuges (143) sind nach Aufhebung der Abschiebung fast alle wieder zurückgefahren.