Organisation der deutschen Juden
Im September 1938 verfasst das Berliner SD-Hauptamt (II 112) folgenden Bericht über „Die Organisationen der Judenheit, ihre Verbindungen und politische Bedeutung“:
Die jüdischen Organisationen in Deutschland
Altes Reichsgebiet
Allgemeines und Historisches
Bis zur Machtergreifung durch den Nationalsozialismus war das innerjüdische Leben in Deutschland fast ausschließlich beherrscht durch die Ideen der sogenannten ''deutsch-jüdischen '' Organisationen. Daneben zeigte sich eine Vielheit jüdischer Wohltätigkeits- und Sterbevereine sowie jüdisch-wissenschaftlicher Institute und Vereinigungen.
Naturgemäß lag zu jener Zeit die Haupttätigkeit der maßgeblichen jüdischen Organisationen in der Abwehr des Antisemitismus und dem Ausbau der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung. Es bestand damals auch engste Zusammenarbeit mit den ''System-Parteien'', von der Staatspartei über die SPD zur KPD ; dies kann insbesondere für die Arbeit des ''Jüdischen Centralvereins '' und des ''Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten '' nachgewiesen werden.
Das Jahr 1935 hätte eigentlich einer solchen Zielgebung ein Ende setzen müssen; allein die Tatsachen beweisen, daß erst etwa Mitte des Jahres 1937 eine offenbar endgültige Abkehr der jüdischen Organisationen von ihren Sonderzielen und eine gewisse Ausrichtung auf den Auswanderungsgedanken stattgefunden hat. Von einer gänzlichen Verwischung der jüdisch-ideellen Grenzen kann doch auch heute noch nicht gesprochen werden.
Die Hauptströmungen im Judentum Deutschlands lassen sich - wie überhaupt allgemein - in drei große Gruppen gliedern:
A. Assimilanten
B. religiös-Orthodoxe und
C. Zionisten .
Die Assimilanten, deren Anschauung bis 1933 unbedingt dominierte, treten ein für Angleichung der Juden an das jeweilige Wirtsvolk und nötigenfalls für völliges Aufgehen in demselben. Sie vertreten den ''deutsch-jüdischen'' Gedanken und verstanden es - besonders die Extremisten unter ihnen -, auf jene Bevölkerungskreise, die sich mit der Rassefrage überhaupt nicht auseinandergesetzt hatten oder auseinandersetzen wollten, einen gewissen irreführenden Einfluß zu nehmen. Derartige Versuche des ''Verbandes national-deutscher Juden '' führten beispielsweise zur Auflösung dieses Bundes im Dezember 1935.
Der ebenfalls im assimilatorischen Lager stehende jüdische Jugendbund ''Der Ring - Bund jüdischer Jugend'' (ehemals ''Bund deutsch-jüdischer Jugend ''), der in seinem Aufbau die Hitlerjugend vollkommen nachahmte und rein deutsch-völkische Tendenzen vertrat, wurde ein Jahr später im Dezember 1936 aufgelöst.
Als jüdisch-religiöse Richtung, mit geringerer allgemein-politischer Tendenz, ist die jüdische Orthodoxie anzusprechen. Die Organisationen dieser Gruppe befassen sich neben der Vertiefung des religiösen Empfindens und der Pflege jüdischer Religionsgesetze und -überlieferungen mit der Lösung caritativer Aufgaben.
Um das Judentum oder besser gesagt einen Teil der Juden in Deutschland zurückzuführen zum jüdischen Nationalismus, wie ihn der Zionismus verkörpert, bedurfte es erst der einschneidenden Ereignisse des Jahres 1933. Bis dahin war die Zahl der Zionisten in Deutschland vollkommen unbedeutend; sie schnellte jedoch plötzlich in ungeahntem Ausmaße in die Höhe, als der Nationalsozialismus an die Macht kam. Allein hier ergab sich, daß ein sehr großer Teil der augenblicklich begeisterten Zionisten nur ''Scheinzionisten'', ohne wirkliche Verbindung mit den Ideen des Zionismus, waren.
Die Idee des Zionismus stammt von dem jüdischen Journalisten Theodor Herzl , der den Gedanken der Errichtung eines jüdischen Nationalheimes in seiner Schrift ''Der Judenstaat'' niederlegte und durch Einberufung des I. Zionistenkongresses im Jahre 1897 nach Basel den Grund für die Errichtung der ''Zionistischen Weltorganisation'' legte. Als Hauptziel des Zionismus gilt ''die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina (Baseler Programm), damit also Zurückführung der Juden zur jüdischen ''Nation'' und Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina. Die zwischen den drei vorbesprochenen jüdischen Ideengruppen bestehenden Unterschiede treten besonders auch bei der verschiedenartigen Lösung des Wanderungsproblems zutage:
Hier Besiedlung Palästinas, dort Propagierung jüdischer Gruppensiedlung im Auslande, teils auf religiöser, teils auf sogenannter ''deutsch-jüdischer'' Grundlage.
Die organisatorischen Träger des Judentums in Deutschland können, abgesehen von einer jüdisch-politischen Unterscheidung, dreifach unterglieder werden:
1. die jüdisch-politischen Gruppen,
2. die jüdischen Gemeindeverbände und darüberstehend
3. die jüdischen Reichsverbände,
wobei hier gleich von vornherein erwähnt werden soll, daß die letztgenannten Gruppen durch das Gesetz zur rechtlichen Neuordnung der jüdischen Kultusgemeinden vom 28.3.38 einer völligen Neuordnung unterworfen wurden.
Jüdisch-politische Gruppen
a. Assimilanten: Hauptvertreter des Judentums in Deutschland schlechthin war bis 1933 der ''Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens '', der heute den Namen ''Jüdischer Centralverein'' trägt. Er wurde im Jahre 1893 mit dem Ziel der Abwehr der damals verstärkt aufkommenden antijüdischen Bewegungen gegründet und hatte ursprünglich in seinen Satzungen als sein Ziel ''die tatkräftige Wahrung der staatsbürgerlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung seiner Mitglieder sowie unbeirrbare Pflege deutscher Gesinnung'' bezeichnet. Heute sieht er seine Aufgaben in der ''Pflege des jüdischen Lebens sowie in der seelischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Betreuung der in Deutschland lebenden Juden''. Nachdem seine Veranstaltungstätigkeit auf ein Mindestmaß beschränkt worden ist, versucht der ''CV'', auf die breite jüdische Masse durch seine ''Beratung'' in den an größeren Plätzen bestehenden Beratungsstellen Einfluß zu nehmen. Oft werden die erteilten Ratschläge dazu benutzt, um im Vergleich zum Auslande ein Verbleiben in Deutschland auch weiterhin als annehmbar erscheinen zu lassen. Etwa 35.000 Mitglieder sind in 16 Landesverbänden mit etwa 500 Ortsgruppen zusammengefaßt, also immerhin noch eine durchaus beachtliche jüdische Organisation.
Seine führende Stellung im Assimilantentum mußte der CV jedoch nach 1933 an den 1919 gegründeten ''Reichsbund jüdischer Frontsoldaten'' abgeben, dessen Gründer und Bundesleiter der jüdische Hauptmann d.L. a.D. Leo Löwenstein, Berlin, ist. Auch dieser ''Frontbund'' stellte sich zunächst als Hauptaufgabe die Abwehr des Antisemitismus, um dann daran zu gehen, durch eine eigene dazu errichtete Stelle den Vorwürfen von der jüdischen Kriegsdrückebergerei entgegenzutreten. Das Ergebnis dieser Arbeiten war das 1932 erschienene Gefallenen-Gedenkbuch, in dem 12.000 jüdische Gefallene namentlich aufgezählt sind. Dieser Versuch, ein politisches Unbedenklichkeitszeugnis durch Heranziehung nichtamtlicher Beweismittel zu erhalten, scheiterte jedoch durch das Bekanntwerden der Verbindungen des ''Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten'' mit dem ''Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold''.
In 16 Landesverbänden und 365 Ortsgruppen sind insgesamt ungefähr 20.000 Mitglieder organisiert. (Laut staatspolizeilicher Verfügung dürfen nur wirkliche Frontkämpfer Mitglieder des Bundes werden).
Interessant ist in diesem Zusammenhang die im August 1937 erfolgte Neugründung der ''Jüdischen Landarbeit GmbH'', - ILA -deren Vorstand der Leiter des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten, Löwenstein, ist. Neben dem CV und dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten sind als korporative Gesellschafter die ''Reichsvertretung der Juden in Deutschland '', die ''Jüdische Gemeinde zu Berlin'' und der ''Hilfsverein der Juden in Deutschland '' eingetragen. Das Ziel dieser ''ILA'' ist die Errichtung jüdischer Gruppensiedlungen in Übersee, aber auch hier wiederum ohne Zweifel unter dem Gesichtspunkt, die aus Deutschland kommenden Juden in einer ''deutsch-jüdischen Gemeinschaft'' zusammenzufassen.
Die ''Vereinigung für das religiös-liberale Judentum '' hat zahlenmäßig geringen Umfang. Ihre Mitglieder setzen sich hauptsächlich aus assimilatorischen Kreisen zusammen; oft finden sich auch ehemalige Mitglieder des im April 1937 als staatsfeindlich aufgelösten VIII. Distrikts des ''Unabhängigen Ordens B'ne B'rith (UOBB) - einer jüdischen Weltlogenorganisation mit dem Sitz in Chikago - USA, die die Welt in 22 Distrikte aufgeteilt hat - in ihren Reihen.
b. Orthodoxe : Den jüdisch-orthodoxen Gruppen kommt innerhalb des Judentums in Deutschland in jüdisch-politischer Hinsicht geringere Bedeutung zu. Ihre Tätigkeit erschöpft sich tatsächlich in der Pflege und Beachtung religiöser Gebräuche, z.B. bei Beerdigungen, und in caritativer Arbeit.
Als bedeutendste Organisation dieser Richtung ist die pro-palästinensisch, aber nicht zionistisch eingestellte, radikal-orthodoxe Weltorganisation ''Agudas Jisroel '' (Bund Israels), mit dem Hauptsitz der ''Landesorganisation Deutschland'' in Nürnberg zu nennen.
Sie zählt meist religiöse Ostjuden zu ihren Mitgliedern und tritt ein für eine Besiedelung Palästinas auf rein religiöser Grundlage, also unter Ausschaltung jedes politischen Momentes, wie es die Zionisten verfolgen. Zusammen mit dem ''Reichsbund der gesetzestreuen jüdischen Gemeinden '' und der ''Freien Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums '' bildet die ''Agudas'''' die ''Reichsvertretung der unabhängigen Orthodoxie''.
c. Zionisten: Der heute zahlenmäßig mächtigste Faktor im jüdischen Leben ist die ''Zionistische Vereinigung für Deutschland '' - ZVfD -, die der ''Zionistischen Weltorganisation''- ZWO - angeschlossen ist und etwa 90.000 Mitglieder zählt. Sie besitzt zahlreiche Umschulungslager und Jugendgruppen in Deutschland. Ihre größte Umschulungsorganisation ist der ''Hechaluz '' (= Der Pionier).
Innerhalb der ZWO bestehen verschiedene Strömungen, die sich in Palästina oft zu radikalsten Gegensätzen auswachsen. Dort sind alle zionistischen Richtungen vertreten bis zur Form der kommunistischen Kollektive. Im Zionismus in Deutschland (innerhalb der ZVfD ) ist als Sondergruppe lediglich der ''Misrachi '' zu nennen, der die orthodox-religiöse Richtung - im Gegensatz zur liberal-religiösen Strömung - im Zionismus verkörpert.
Die extremste Form des Zionismus ist der Revisionismus, der in Deutschland durch die ''Staatszionistische Vereinigung '' mit etwa 1.000 Mitgliedern bis zu ihrer Auflösung am 31.8.1938 vertreten wurde. Diese Vereinigung war seit 1934 wohl formell nicht mehr der ''Weltvereinigung der Zionisten-Revisionisten'' angeschlossen, ideelle Verbindungen und solche persönlicher Art bestanden jedoch nachgewiesenermaßen zur jetzigen Pariser Zentrale weiter. Als Jugendgruppe war ihr die ''Jüdisch-nationale Jugend Herzlia'' (Betar ) angeschlossen. Die revisionistisch eingestellten Frontkämpfer waren in dem ''Brith Hechajal'' zusammengeschlossen.
Die Zionisten beider Richtungen sowie die ''Agudas'' unterhalten verschiedene Fonds für Palästina.
Die bedeutendsten Fonds der ''Zionistischen Weltorganisation sind der KKL = Keren Kajemeth Lejisrael - Bodenfonds und der KH = Keren Hajessod - Aufbaufonds.
Jüdische Gemeindeverbände
Ein wichtiges Glied innerhalb des Judentums in Deutschland stellen die jüdischen Landesverbände dar. Sie sind rechtsfähige Vereine des bürgerlichen Rechts und haben insbesondere in Anbetracht ihrer Steuereinkünfte starke Bedeutung für das jüdisch-politische Leben. (Bis zum 28.3.38 waren sie noch Körperschaften öffentlichen Rechts). Der größte Landesverband ist der preußische, dem vier Fünftel aller jüdischen Gemeinden des Reiches eingegliedert sind. Daneben bestehen israelitische Oberräte in Baden und Württemberg, Landesverbände in Bayern, Hessen und Sachsen sowie die Großgemeinde Hamburg.
Die Reichsverbände
Die ''Reichsvertretung der Juden in Deutschland '' ist die einzige Vertretung der in Deutschland lebenden Juden gegenüber der Reichsregierung. Bis zum Jahre 1933 stellte die ''Reichsvertretung'' lediglich den Zusammenschluß der jüdisch-religiösen Landesverbände dar und wurde erst damals durch Hinzunahme von Vertretern aus allen jüdisch-politischen Lagern zu ihrer jetzigen Form erweitert.
Im Augenblick werden noch Beratungen und Verhandlungen geführt auf Grund des Gesetzes vom 28.3.38 mit dem Ziel, eine Vereinheitlichung der Landesverbände und Kultusgemeinden herbeizuführen. Die Spitze soll die ''Reichsvertretung'' unter der Bezeichnung ''Reichsverband der Juden in Deutschland'' als eingetragener Verein bilden. Die bisher vorliegende Fassung des Satzungsentwurfes sieht eine Auflösung des Preußischen Landesverbandes, dessen soziale Aufgaben durch die Reichsvertretung unmittelbar weitergeführt werden sollen, und eine Umgestaltung der übrigen Landesverbände in sogenannte Bezirksorganisationen, d.h. Zwischenverbänden des Reichsverbandes, vor. Die hierbei aufkommenden Streitigkeiten, die sich bereits seit April d.J. hinziehen, sind ein treffender Beleg für die Langsamkeit eines demokratischen Verwaltungsprinzips und des völligen Versagens der Juden auf verwaltungsmäßigem Gebiet selbst in Augenblicken, in denen es um ihre Existenzfragen geht.
Dieses oberste jüdische Gremium kann nur durch dauernden staatlichen Druck zu produktiver Arbeit gebracht werden. Als Erfolg dieser Art kann die Errichtung eines ''Zentralen Wanderungsauschusses'' bei der ''Reichsvertretung'' angesehen werden, dem Vertreter aller an der Wanderung interessierten jüdischen Organisationen angehören.
In diesem Zusammenhang seien noch die jüdischen Auswanderungsämter, die selbständige Stellen sind, genannt:
Das ''Palästina-Amt '', der ''Jewish Agency '' in Berlin ist für die Verteilung der von der Mandatarmacht [sic] England ausgegebenen Palästinazertifikate an die in Frage kommenden Organisationen verantwortlich.
Die jüdische Auswanderung nach außerpalästinensischen Ländern vermittelt der ''Hilfsverein der Juden in Deutschland '' mit dem Sitz in Berlin. Er steht in Verbindung mit den zahlreichen jüdischen Hilfsorganisationen des Auslandes und prüft Projekte für die jüdische Auswanderung, insbesondere nach überseeischen Ländern.
Verschiedene Reichsausschüsse, denen die Zusammenfassung und Vertretung des jüdischen Sports, der jüdischen Jugend und der Judenheit in Deutschland in kultureller Beziehung obliegen, unterstehen der ''Reichsvertretung'' direkt.
Der ''Reichsausschuß der jüdischen Sportverbände '' stellt die dem Reichssportführer gegenüber verantwortliche Spitze im jüdischen Sport dar. Ihm eingegliedert sind der 1898 gegründete zionistische ''Deutsche Makkabi -Kreis e.V.'' mit etwa 20.000 Mitgliedern und der Sportbund ''Schild '' des ''Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten'' mit etwa 22.000 Mitgliedern sowie die als jüdisch-politisch neutral geltende Gruppe der jüdischen Sportvereine in Bayern. Obwohl der ''Schild'' erst seit 1933 besteht, besitzt er doch zahlen- und leistungsmäßig das absolute Übergewicht im jüdischen Sport; ein Umstand, der keineswegs begrüßenswert ist und wieder einmal zeigt, daß das zionistische Gedankengut bei einem großen Teil der jüdischen Jugend noch nicht Fuß gefaßt hat und sich auch nicht durchsetzen wird.
''Auch dem Reichsausschuß der jüdischen Sportverbände'' fehlt, ähnlich der ''Reichsvertretung'', die nötige Autorität, um sich in seinem Zuständigkeitsgebiet durchzusetzen, so daß das Reichssportamt bisher immer noch gezwungen war, mit den Vertretern der einzelnen Sportverbände getrennt zu verhandeln. Grundlegender Wandel hierin wird durch gewisse Maßnahmen in kurzer Zeit erreicht werden.
Als einzige Vertretung der jüdischen Jugend gegenüber dem Reichsjugendführer besteht der ''Reichsausschuß der jüdischen Jugendverbände ''. Dieser umfaßt alle jüdischen Jugendverbände in Deutschland. Sein Leiter, der Zionist Hans Friedenthal , Berlin, versucht dauernd, durch Fühlungnahme mit den beteiligten Staatsstellen und durch Überreichung von Memoranden günstigere Bedingungen für die Betätigung der jüdischen Jugend in Deutschland zu erreichen. Insbesondere will Friedenthal die Ausweitung der Bestimmungen über das jüdische Jugendwandern und größere Möglichkeiten für die Errichtung jüdischer Übernachtungsheime (gleich Jugendherbergen). Auf solche Versuche kann natürlich, da ja kein Interesse daran besteht, der jüdischen Jugend das Verbleiben in Deutschland zu erleichtern, nicht eingegangen werden.
Das gesamte jüdische kulturelle Leben unterliegt der Überwachung der Abteilung II A des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, dem früheren Büro Hinkel . Bereits im Jahre 1933 erfolgte der Zusammenschluß der damals bestehenden jüdischen kulturellen Vereinigungen zum ''Reichsverband der jüdischen Kulturbünde '' mit dem Sitz in Berlin. Alle jüdisch-kulturellen Organisationen haben sich diesem ''Kulturbund'' anzuschließen, der nur jüdisches Kulturgut durch Juden für Juden zur Aufführung bringen darf. Jede Vortragsfolge muß von der Abteilung II A genehmigt sein.
Naturgemäß stellt der ''Kulturbund'' bei der äußerst weitgehenden Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Kulturleben einen beachtlichen jüdischen Mittelpunkt dar.
Das eigentliche Finanzinstrument der ''Reichsvertretung'' ist der ''Zentralausschuß für Hilfe und Aufbau ''. Dieser verwaltet gleichzeitig die seit dem Winter 1933/34 vom WHW getrennt arbeitende ''Jüdische Winterhilfe'' - JHW, die gute Leistungen aufzuweisen hat.
Bei einer Aufzählung der jüdischen Organisationen in Deutschland ist es nicht zweckmäßig, auf jede einzelne, kleine und kleinste Gruppe einzugehen, da hierdurch nur der Überblick getrübt wird. Es soll nur noch erwähnt werden, daß neben den genannten noch zahlreiche Vereinigungen landsmannschaftlichen Charakters, ferner studentische Verbände und viele kleine, in den vorgenannten Gruppen nicht einzureihende Zusammenschlüsse bestehen, ohne daß sie grundsätzliche politische Bedeutung hätten.
Zum Schluß sei noch die ''Vereinigung 1937'' - ehemals ''Paulusbund '' bzw. ''Vereinigung nichtarischer Christen'' - kurz erwähnt. Nachdem diesem Bund früher zahlreiche Volljuden christlicher Konfession, vorwiegend auch in führenden Stellungen angehört hatten, wurde am 18. Mai 1937 bestimmt, daß sämtliche Mitglieder, die Juden im Sinne des Reichsbürgergesetzes sind, ausscheiden müssen und Gelegenheit haben, dem ''Jüdischen Kulturbund'' beizutreten.
Ebenso wie die ''Jüdische Winterhilfe'' ist auch der ''Kulturbund'' verpflichtet, Juden im Sinne des Gesetzes zu betreuen bzw. in seinen Reihen aufzunehmen.
Durch diese Maßnahme ist es möglich, eine klare Scheidung zwischen den zum Judentum gehörenden und denjenigen, die später eventuell einmal Reichsbürger werden können, zu erreichen.