Bericht aus Nürnberg und Fürth
Am 4. Dezember 1933 erstattet die Polizeidirektion Nürnberg/Fürth folgenden Bericht:
''Centralverein Deutscher Staatsbürger Jüdischen Glaubens'' (CV)
Die interne Tätigkeit des CV hat in den letzten Wochen Formen angenommen, die es angezeigt erscheinen lassen, dem CV eine höhere Beachtung zu widmen.
War in der Zeit vor dem Reichsparteitag unter der Nürnberger und Fürther Judenschaft eine sichtbar zunehmende Zurückhaltung festzustellen, die vielfach zu großer Nervosität und selbst zur Flucht aus Nürnberg gedieh, so kann nunmehr beobachtet werden, daß das Selbstbewußtsein der jüdischen Kreise im Vollgefühl der ihnen gewährleisteten Sicherheit in erstaunlichem Maße wieder gefestigt und zum Ausdruck gebracht wird.
Ein sehr wesentlicher Faktor für diese Rückgrat-Steifung der Judenschaft ist der ''Centralverein Deutscher Staatsbürger Jüdischen Glaubens ''. Nach der hier bekannt gewordenen Korrespondenz einschlägiger jüdischer Führerkreise organisiert der CV den ''Abwehrkampf gegen den Antisemitismus'' bereits wieder mit einer Initiative, wie sie vor der nationalen Erhebung seitens der Behörden, die dem Nationalsozialismus ablehnend oder feindlich gegenüberstanden, als willkommene Unterstützung begrüßt und gefördert wurde.
Eifrig werden von den Ortsgruppen des CV vermeintliche ''Verstöße gegen die Staatsbürgerrechte Jüdischer Staatsbürger'' gesammelt zwecks Weiterleitung an die Berliner Zentrale. Besonderen Wert für die Vertretung jüdischer Interessen bei der Reichsregierung scheint der CV dem Material zuzumessen, das über Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte berichtet. Zur Zeit ist seitens des CV auch eine Feststellung derjenigen Zeitungen im Gange, die über jüdische Geschäfte Inseratensperre verhängt hatten oder noch aufrechterhalten.
Als bedeutsamen Erfolg seiner Arbeit bucht der CV die verschiedentlich amtlich ergangene Aufforderung, Ausschließung der Juden von Märkten usw. als ungesetzlich zu unterlassen. Auch gegen die Anbringung von Tafeln an Ortschaften (''Juden haben keinen Zutritt'') und sonstige ''Eingriffe in die Wirtschaft'' will der CV bei der Reichsregierung mit Belegmaterial vorstellig werden.
Die Anteilnahme aktiver und passiver Art am Winterhilfswerk durch die Juden wird vom CV zwecks Feststellung ''gerechter Behandlung jüdischer Bürger'' zur Zeit ebenfalls einer genauen Kontrolle unterzogen.
In weiten Kreisen herrscht über dieses ''Wiedererwachen der Juden'' starke Beunruhigung. Umgekehrt ist aus der jüdischen Korrespondenz eine große Zuversicht auf ''baldige Rückkehr normaler Verhältnisse'' zu ersehen.