Bericht aus Regensburg
Am 9. Februar 1939 meldet der Regierungspräsident Niederbayern und Oberpfalz in seinem Monatsbericht für Januar aus Regensburg:
Juden
Über die Aktion vom 9./10. November ist es im allgemeinen zur Ruhe gekommen; die Bevölkerung hat sich mit den Geschehnissen abgefunden. Die Staatspolizeistelle Regensburg hat ihre Verhandlungen über die Vorgänge nunmehr soweit abgeschlossen, daß ein allgemeiner Überblick möglich ist. Dabei stellte sich, insbesondere nach der Entlassung der männlichen Juden aus dem Konzentrationslager Dachau heraus, daß doch noch in einer größeren Reihe von Orten und Fällen, als bisher bekannt, bedauerliche Übergriffe gegenüber jüdischem Vermögen vorgekommen sind. Leider waren an diesen auch einzelne Parteigenossen und SA . Angehörige beteiligt. Das geraubte Gut, bei dem es sich übrigens nicht um sehr große Beträge gehandelt hat, konnte zum Teil wieder beigebracht werden. In einem Falle kam auch ein arisches Dienstmädchen in Weiden um Wäsche und Kleider im Betrag von rd. 200 RM. Die Erledigung der aufgeklärten Fälle erfolgt durch die Staatspolizeistelle, bei Parteigenossen im Benehmen mit dem Gaurichter.
Die Auswanderungsabsichten der Juden stoßen nach dem Bericht der Staatspolizeistelle auf größere Schwierigkeiten als vorauszusehen war. Mehr und mehr zeigt sich, daß die Einwanderungsmöglichkeiten in fremde Länder doch recht beschränkt sind; auch nehmen die Verhandlungen mit den Finanz- und Devisenstellen viel Zeit in Anspruch. Bemerkenswert ist eine Bitte der Kultusgemeinde Regensburg an die Polizeidirektion Regensburg, die Genehmigung zur Ausstellung eines Passes von der Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung der jüdischen Kultusgemeinde abhängig zu machen. Das Gesuch ist damit begründet, daß die jüdische Kultusgemeinde ihre vom Staat auferlegte Verpflichtung zur Unterstützung ihrer Hilfsbedürftigen nur dann erfüllen könne, wenn jeder Jude seine Abgaben an die Kultusgemeinde entrichte. Dies haben viele Auswanderer absichtlich unterlassen, sodaß die Zurückgebliebenen immer weniger werden und so eine immer größere Last zu tragen haben. Dem Gesuch wurde von der Staatspolizeistelle entsprochen, da die Kultusgemeinde alle nur verfügbaren Mittel zur Förderung der Auswanderung benützt. In Regensburg werden zur Zeit 46 jüdische Personen unterstützt; der Ertrag des Winterhilfswerks der Juden in Regensburg ergab RM 1242.75.
In Eggenfelden mußte ein staatenloser, nach dem Krieg in Deutschland verbliebener russischer Jude, der mit einer arischen Einheimischen verheiratet ist, wegen Beleidigung eines örtlichen SA-Führers in Schutzhaft genommen werden; ebenso wurde in Regensburg ein 1909 getaufter jüdischer kaufmännischer Angestellter (Frontkämpfer mit mehreren Kriegsauszeichnungen) zur Prüfung der Schutzhaftfrage festgenommen, der seine Zugehörigkeit zur jüdischen Rasse bisher zu verheimlichen gewußt hatte und sich als Regensburger Vertreter seiner Düsseldorfer Firma an einer Betriebsfeier als Ehrengast beteiligt und im Beisein des Oberbürgermeisters und andere Ehrengäste die nationalen Lieder mitgesungen hatte. Die Firma hat ihn fristlos entlassen. In Straubing wurde ein Studienrat a.D. in Schutzhaft genommen, der am Sylvesterabend eine im gleichen Haus wohnende jüdische Familie eingeladen hatte. Die Frau eines Arztes in Amberg, die vor mehreren Jahren aus der jüdischen Religionsgemeinschaft ausgetreten war, ohne sich taufen zu lassen, hat sich mit Gas vergiftet.
Die Arisierung der jüdischen Geschäfte ist zum größten Teil abgeschlossen; aus dem Regensburger Geschäftsleben ist der früher nicht unbeträchtliche jüdische Einfluß jetzt vollkommen ausgeschaltet.