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Chronik und Quellen
1938
Dezember 1938

Bericht aus Ansbach

Am 7. Januar 1939 erstattet der Regierungspräsident Ober- und Mittelfranken in seinem „Monatsbericht“:

Juden

Die Protestaktion gegen die Juden vom 10. November hat auf diese unverkennbar gewirkt. Sie befanden sich allgemein in einer sehr gedrückten Stimmung und befleißigten sich, möglichst unauffällig zu bleiben. Das Bestreben auszuwandern ist groß. Im Dezember sind 96 Juden (gegenüber 75 im Vormonat) ausgewandert.

Auf Grund der ergangenen Erlasse wurde der größte Teil der anläßlich der Protestaktion festgenommenen Juden aus der Haft wieder entlassen. Soweit es sich nicht um Frontkämpfer handelte, waren es solche Juden die zur Abwicklung und Überleitung ihrer Geschäfte in arische Hände benötigt wurden. Außerdem hat ein Teil der Entlassenen die Vorbereitungen zur Auswanderung bereits soweit getroffen, daß sie schon in den nächsten Wochen endgültig auswandern können.

Der Schulunterricht an den jüdischen Schulen wurde wieder aufgenommen. Die jüdische Winterhilfe war in ihrer Tätigkeit nicht behindert. Auch die Kultusgemeinden führen ihre Geschäfte weiter. In Nürnberg wurde bei der israelitischen Kultusgemeinde eine besondere Auswandererberatungsstelle eingerichtet, die sich bemüht, die Auswanderung der Juden zu fördern.

Jüdische Vereinsveranstaltungen haben nicht stattgefunden.

1) Gegen 8 im Ausland wohnende jüdische Emigranten wurde Antrag auf Aberkennung der deutschen Reichsangehörigkeit gestellt.

2) Im Prozeß gegen die jüdischen Devisenschieber Wertheimer, Löwenstein, Strauß, Marx und Ullmann hat das Landgericht Nürnberg-Fürth Zuchthausstrafen von sechs Jahren bis zwei Jahren, Gefängnisstrafen und Geldstrafen von 100.000 RM bis 10.000 RM ausgesprochen.

3) Am 25.11.1938 wurde der Rechtsanwalt Dr. Dehler in Bamberg auf Weisung der Staatspolizeistelle Nürnberg-Fürth vorübergehend in Polizeihaft genommen. Dr. Dehler, der selbst Arier , aber mit einer Jüdin verheiratet ist, vertritt mit Vorliebe Juden. Er hatte nach Bekanntwerden der Aktion gegen die Juden einen jüdischen Rechtsanwalt , der sich im Ausland befand, telegrafisch vor seiner Rückkehr nach Deutschland gewarnt. [...]

 

Sonstige Angelegenheiten von Bedeutung

1) Wie bereits im Monatsbericht für November 1938 S.2 Ziff. 3 Abs. I kurz mitgeteilt ist, hat unmittelbar im Anschluß an die Judenaktion im November 1938 im ganzen Regierungsbezirk die Lehrerschaft mit verhältnismäßig wenigen Ausnahmen, die weitere Erteilung von Religionsunterricht abgelehnt. Bis zum 15. Dezember 1938 hatten von 3.257 evangelischen Lehrkräften 2.749 (= 84,4%) und von 1.699 katholischen Lehrkräften 1.273 (= 74,93%) den Religionsunterricht niedergelegt. Daneben haben in einigen Fällen Lehrkräfte erklärt, daß sie nur den alttestamentlichen Teil des Religionsunterrichtes nicht mehr behandeln wollen. Meist aber wurde der Religionsunterricht ohne Einschränkung niedergelegt. Ein Teil der Lehrerschaft tat dies ''zum Protest gegen die jüdische Mordtat in Paris'', andere geben an, daß sie nicht mehr gewillt seien der deutschen Jugend im Religionsunterricht weiterhin das Verbrechervolk der Juden als ''Auserwähltes Volk Gottes'' hinzustellen oder die Geschichte dieses Volkes zu lehren.

Der Anstoß zu der ganzen Bewegung ging offenbar vom NSLB aus, der seine Mitglieder veranlaßte den Religionsunterricht an der Schule niederzulegen. Im Gegensatz wurde seitens der Obersten Schulaufsichtsbehörden in der Folgezeit wiederholt darauf hingewiesen, daß der schulplanmäßige Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach grundsätzlich von Lehrern zu erteilen sei, daß es für den nationalsozialistischen Lehrer, der sich zur Erteilung des Religionsunterrichtes bereit erklärt habe, nicht zweifelhaft sein könne, daß von ihm bei der Erteilung des Religionsunterrichtes, insbesondere der Darstellung des Judentums, nichts verlangt werde, was den Grundsätzen des Nationalsozialismus zuwiderlaufe, und daß hienach eine Niederlegung des Religionsunterrichtes durch den Lehrer vom nationalsozialistischen Standpunkte aus nur dann gerechtfertigt sei, wenn tatsächlich ernste Gewissensbedenken vorliegen.

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