Verhaftungen in Frankfurt
Der mit einer Christin verheiratete Frankfurter Jude Heinrich Perlhefter beschreibt seine Verhaftung nach dem Pogrom und seine Internierung in Dachau folgendermaßen:
„Nach der Kristallnacht wurde ich sonntags (13.11.1938) von zwei SS-Leuten aus meiner Wohnung, Zeil 26 in Frankfurt, abgeholt, mit der Begründung, wir Juden kämen alle in Schutzhaft. Diese Schutzhaft bestand darin, dass wir in einem Polizeirevier Hölderlinstraße gesammelt und von da zur Festhalle gebracht wurden. Hier begannen dann die ersten Quälereien. Ein SS-Sturmführer befahl einem SS-Mann, mich ‚den Saujuden‘ mal in die Kur zu nehmen, was dieser dann auch gründlich getan hat. So musste ich mich in der Festhalle vor der Treppe auf den Bauch legen und von Stufe zu Stufe nach oben robben. Auf der anderen Seite musste ich Purzelbaum schlagen. Als ich unten war, nahm ein anderer SS-Mann mich in Empfang und schlug mit einer Browning auf mich ein. Dabei zerschlug er mir die Zähne, und ich brach einige Rippen. Anschließend nahm er mich mit in den Keller, um einen Eimer Wasser zu holen, da ein anderer Jude sich übergeben hatte, und ich das mit bloßen Händen beseitigen sollte. Danach wurden in eine Ecke Nägel, sogenannte Blauköpfchen, gestreut, auf denen ich einen Kopfstand machen musste. Ich bekam dabei eine ganze Menge Nägel in die Kopfhaut. Ein Mithäftling hat sie mir später mit einem Taschenmesser herausgeholt. Nach dieser Misshandlung mussten wir alle Purzelbaum schlagen und dazu singen. Gegen Abend, zwischen 18 und 20 Uhr, wurden wir mit städtischen Omnibussen zum Südbahnhof gebracht und in einen Personenzug Richtung Dachau verladen. In München wurden wir in einen Viehwagen umgeladen und zwar in jeden Wagen so viele Menschen, dass wir uns nicht bewegen konnten. In Dachau angekommen wurden wir mit Kolbenschlägen aus dem Zug getrieben, dabei hat es schon viele Tote gegeben. Im Lager mussten wir uns nackt ausziehen und im Freien stehen bleiben. Dort wurden wir mit eiskaltem Wasser abgespritzt, einige mussten den Mund öffnen und bekamen einen Wasserstrahl hinein. Nach dieser Prozedur bekamen wir Häftlingskleidung und wurden in verschiedene Baracken eingewiesen. Ich lag in Block 20 Stube 3 mit Herrn Seligmann aus Frankfurt und Rabbiner Dr. Salzberger. Dort wurden mir auch endlich die Nägel aus der Kopfhaut herausgeholt. Wegen der Flucht von drei Häftlingen musste einmal das ganze Lager, ca. 10-12000 Häftlinge, von abends 18 Uhr bis morgens 7 Uhr im Freien Strafe stehen. Meine Frau (...) bekam von Bekannten den Rat, sich an das siamesische Konsulat zu wenden und um Einwanderungserlaubnis zu bitten. Dieses Konsulat stellte auch sofort für mich und meine zwei Brüder, die auch im Lager waren, Auswanderungspapiere zur Verfügung. Die Formulare wurden der Gestapo vorgelegt. Daraufhin kamen meine Brüder und ich von Dachau frei.“